Rätselhafte Bestattung im 17. Jahrhundert
Mit dem Gesicht nach unten begraben
Etwas von den anderen separiert, wurde dieser Mann bäuchlings, also mit dem Gesicht nach unten, ins Grab gelegt. «Das ist ziemlich ungewöhnlich», so Weiss. Weitere Indizien, die bei der Freilegung des Grabs zum Vorschein kamen, erhärten den Verdacht, dass dieser Mann nicht unter gewöhnlichen Umständen ums Leben kam. Denn die Archäologen fanden gleich neben dem Skelett ein Messer und mehrere zusammenkorrodierte Münzen – die Reste einer Geldbörse.
Doch warum wurde der Mann auf so merkwürdige Art bestattet? Dazu warten die Archäologen mit mehreren möglichen Varianten auf. Es ist gut möglich, dass die Beerdigung schnell vonstattengehen musste und keine Zeit mehr war, die Leiche abzusuchen. Wäre der Tote nämlich noch gewaschen worden, wie dies schon damals üblich war, hätte man den Geldbeutel gefunden und abgenommen. Denn Grabbeigaben waren zu dieser Zeit längst nicht mehr gebräuchlich. Was genau war also geschehen? Hatte der Mann eine ansteckende Krankheit und musste schnell begraben werden? Oder handelt es sich hier um einen Raubmord oder gar eine Vergeltungstat?
Münzen können Hinweise liefern
24 Münzen im Geldbeutel – in verschiedenen «Währungen»
Doch bereits die erste Röntgenaufnahme lieferte überraschend gute Bilder. Im Querschnitt waren 24 dünne Münzen zu erkennen – manche einseitig, andere beidseitig geprägt. Auf dem Bild ist sogar zu sehen, dass einige der Münzen aus zwei verschiedenen Metallen bestehen. Oft wurden früher Münzen aus einer Kupfer-Silber-Legierung gefertigt und vor dem Prägen in ein Weinsäurebad eingelegt, damit sich das Kupfer aussen auflöst. An der Oberfläche blieb das glänzende Silber zurück. Eine der Münzen im Portemonnaie besteht sogar komplett aus purem Silber. Doch mit diesem ersten Einblick gab sich der Empa-Röntgenexperte noch nicht zufrieden. Er versuchte die Bilder in sorgfältiger Feinarbeit virtuell zu drehen und auszurichten. Auch wenn die Münzen stark korrodiert sind, kamen plötzlich Bilder und Buchstaben zum Vorschein – die Prägungen.
Die jüngste mit Jahreszahl versehene Münze aus der Geldbörse stammt aus dem Jahr 1629, also muss der Mann nach diesem Zeitpunkt bestattet worden sein. Auch wie der Mann gelebt hatte, geben die Münzen preis. «Es ist möglich, dass dieser Mann ein reisender Geschäftsmann war», sagt Christian Weiss, «denn in seiner Geldbörse befinden sich Münzen aus den Regionen Fribourg-Bern-Solothurn, Basel-Freiburg im Breisgau und Luzern-Schwyz.» Jede dieser Regionen hatte damals ihr eigenes, regional zirkulierendes Geld.
«Sämtliche Münzen entsprechen Kleingeld», sagt Weiss, «da ist nichts drin, was einer heutigen Hunderternote entsprechen würde.» Dass jemand die wertvolleren Münzen entwendet und den Rest dem Toten zurückgesteckt hat, hält er für eher unwahrscheinlich. Dies spricht also gegen einen Raubmord. Doch ein Mord aus anderen Gründen, wie etwa Rache, lässt sich weiterhin nicht ausschliessen. Was damals tatsächlich geschah und warum der Mann auf so ungewöhnliche Art bestattet wurde, wird daher vermutlich für immer ein Geheimnis bleiben.
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