Tanja Zimmermann verstärkt Empa-Direktion

Klare Vorstellungen

21.12.2017 | CORNELIA ZOGG

Seit September verstärkt Tanja Zimmermann das Direktions-Team der Empa; sie leitet das neue Departement «Functional Materials». Ein weiterer Schritt in einer erfolgreichen Karriere, die in der Holzabteilung der Empa ihren Anfang nahm. Zimmermann schaffte es mit Neugier, Kreativität und einem Blick für das Unmögliche, einem früher wenig beachteten Forschungsfeld internationales Renommee zu verschaffen.

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Kreativität ist in der Forschung eine Grundvoraussetzung. Tanja Zimmermann spricht aus Erfahrung. Mit kreativen Ideen hat es die gebürtige Hamburgerin geschafft, einen Forschungsbereich der Empa quasi zu rehabilitieren. Denn noch bis vor wenigen Jahren war Holz als Forschungsgebiet – nicht nur an der Empa – nicht gerade «en vogue». Laut gängiger Meinung war bereits alles erforscht, was es zum Thema Holz zu erforschen gab, so Zimmermann. Als neu ernannte Leiterin des entsprechenden Forschungslabors war daher 2011 eine ihrer ersten Aufgaben, die Empa-Direktion vom Gegenteil zu überzeugen – was ihr bestens gelang, wie ein Blick in die Publikationsliste ihres Teams belegt. «Früher gab es ganze drei oder vier wissenschaftliche Journale, in denen Holzforscher und -forscherinnen ihre Ergebnisse veröffentlichen konnten. Heute publizieren wir in erstklassigen materialwissenschaftlichen Magazinen, und das sehe ich als grossen Erfolg», so Zimmermann.

Ihre Faszination für Holz und dessen mannigfaltige Möglichkeiten begann allerdings viel früher. Zimmermann blickt auf eine lange, «geradlinige» Karriere an der Empa zurück, die mit einem dreimonatigen Praktikum während ihres Studiums der Holzwissenschaften an der Universität Hamburg 1992 ihren Anfang nahm – und mit der vor kurzem erfolgten Ernennung zur Departementsleiterin ihren (vorläufigen) Höhepunkt fand. In all den Jahren – 2001 übernahm sie die Leitung einer Forschungsgruppe, seit 2011 leitet Zimmermann die Abteilung «Angewandte Holzforschung» – kam ihr nie der Gedanke zu wechseln. Aus einem einfachen Grund: «Die Empa hat mir immer alle Möglichkeiten geboten, mich weiterzuentwickeln», so Zimmermann.

Holz bietet unzählige Möglichkeiten

Motiviert haben sie dabei die unzähligen Möglichkeiten, aus Holz und seinen Bestandteilen neue Materialien zu entwickeln. Erst kürzlich gelang es ihrem Team, eine 3-D-Tinte aus Nanozellulose herzustellen. Dadurch lassen sich Mikrostrukturen mit herausragenden mechanischen Eigenschaften herstellen, die für Implantate und andere biomedizinische Anwendungen äusserst vielversprechend sind. Zudem ist Holz als nachwachsender Rohstoff ökologischer und nachhaltiger als die herkömmliche 3-D-Druckertinte.

Futuristisch anmutende Projekte rund um Holz sind bei Tanja Zimmermann an der Tagesordnung. So hat sie etwa, zusammen mit dem Empa-Forscher (und ETH-Professor für «Wood Materials Science») Ingo Burgert und ihrem Team, die NEST-Unit «Vision Wood» ins Leben gerufen, eine Wohneinheit für Studenten an der Empa, in der zurzeit die verschiedensten Holzanwendungen im realen, alltäglichen Leben getestet werden. Holz zeigt dabei etliche, teils unerwartete Eigenschaften; so befindet sich in der Studi-WG unter anderem antimikrobielles, magnetisches und feuerfestes Holz, aber auch Holz, das komplett wasserabweisend ist – und daher in Form eines Waschbeckens seinen Dienst verrichtet.

Ebenfalls aus Zimmermanns Team stammt der Nanozellulose-Schwamm, der chemisch so modifiziert wurde, dass er (entgegen seiner «Natur») kein Wasser, sondern nur (grosse Mengen an) Öl aufsaugt – eine durchaus interessante «Fähigkeit», wenn man an einen Einsatz im Umweltbereich denkt, etwa nach Ölkatastrophen. Und während für viele Holz ein altertümliches Baumaterial ist, entdeckt die Empa-Forscherin immer wieder neue Anwendungsmöglichkeiten. Selbst die Zukunft besteht für sie längst nicht nur aus Kunststoffen und Metallen, auch da soll (und kann) das natürliche und ökologische Material Holz seinen Beitrag leisten, wie Zimmermann erklärt. «Vielleicht haben wir demnächst elektrisch leitfähiges Holz», sagt sie mit Blick auf noch unerforschte Möglichkeiten.

Die Chemie muss stimmen
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Tanja Zimmermann auf dem Balkon der NEST-Unit «Vision Wood», die unter ihrer Leitung konzipiert wurde. Die Balkonmöbel bestehen aus einem neuartigen Bambusfasern-Kunstharz-Material.

Auch privat sieht sich Zimmermann mit Herausforderungen aus Holz konfrontiert. So ist sie vor zehn Jahren mit ihrer Familie in ein über 200 Jahre altes Bauernhaus gezogen – die Tragkonstruktion in Fachwerkbauweise ist komplett aus Holz. Vor dem Einzug waren dann auch etliche Renovationen nötig. Und wer glaubt, Holz sei nur für Grundlagenforschung im Labor spannend, der irrt; der Dachstock des Fachwerkhauses war – wie für derart alte Gebäude durchaus üblich – von Insekten befallen. «Wir haben den Dachstock sandgestrahlt, da sah man plötzlich die ganzen Frasslöcher. Die Firma wollte mir für teures Geld eine Imprägnierung mit Holzschutzmitteln einreden, aber das ist völliger Blödsinn», erklärt sie fachmännisch. Mit der richtigen Isolierung, also sobald Temperatur- und Holzfeuchtebedingungen für die holzzerstörenden Insekten nicht mehr stimmen, seien Holzschutzmittel nämlich überflüssig.

Holz als natürlicher, nachwachsender und (wichtig:) in der Schweiz in grossen Mengen verfügbarer Rohstoff für die Entwicklung neuer Materialien steht in der Forschungsarbeit ihres Teams im Vordergrund. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor hierfür ist, dass die Chemie zwischen den Mitarbeitenden stimmt. Ein guter Team-Spirit ist für Zimmermann das A und O einer erfolgreichen Forschungsabteilung. «Ich nehme lieber zehn gute Forscher, die gut in mein Team passen, als zwei «Hot Shots», die dafür aber sozial inkompetent sind», sagt sie.

Dieses Credo will sie auch in ihrem neuen Job hochhalten. Ein Team funktioniere, wenn alle an einem Strang zögen und sich gegenseitig unterstützten – nur so sei Spitzenforschung möglich. Zusammenarbeit ist für Tanja Zimmermann aber nicht nur innerhalb eines Teams essenziell, sondern auf sämtlichen Ebenen. «Es ist mir wichtig, dass die verschiedenen Forschungsabteilungen offen miteinander kommunizieren und Ideen untereinander austauschen. Dadurch entstehen Synergien und neue, spannende Ideen, die für innovative Projekte notwendig sind», erklärt sie. Innerhalb des neuen Departements «Functional Materials» finden sich denn auch Forschungsabteilungen aus den unterschiedlichsten Bereichen, wie Bautechnologie, Hochleistungskeramik, Fasertechnologie, Beton oder Bauchemie.

Alle im Boot

Punkto Ideen für neue Forschungsprojekte gibt es bei ihr dann auch keine Grenzen – solange ein Nutzen ersichtlich ist. «Ich würde nie ein Projekt aus blosser wissenschaftlicher Spielerei starten; es sollte immer eine Idee im Zentrum stehen, die einen echten gesellschaftlichen Nutzen nach sich zieht», so Zimmermann. Denn schliesslich sei die Empa als Forschungsinstitution eine Art Brücke zwischen Forschung und Industrie. Dabei lobt sie die vielfältigen Möglichkeiten an der Empa. «Wir haben hier von der Grundlagenforschung über Industriekooperationen bis hin zu Services und Beratung die ganze Palette», sagt sie. Als Departementsleiterin ist es ihr ein Anliegen, diese unterschiedlichen Facetten beizubehalten, auch wenn sie keine Zeit mehr haben wird, selbst in den Empa-Labors zu stehen.

Ausgleich zu ihren beruflichen Herausforderungen findet sie in ihrer Freizeit genug – sie ist immer auf Achse und kann nur schwer stillsitzen. Sie betätigt sich sportlich und ist oft auf ihrem Pferd unterwegs. Vor kurzem hat sie ausserdem mit dem Gitarrenspiel angefangen. Fehlende Motivation scheint bei ihr kein Problem zu sein – im Gegenteil: Sie schafft es mit ihrer begeisternden Art immer wieder, andere zu motivieren. Was vor allem beim Fördern und Fordern von Nachwuchstalenten zum Tragen kommt. «Ich habe unglaublich gern mit Menschen zu tun», gesteht Zimmermann. Es gäbe nichts Schöneres, als einen Doktoranden zu betreuen und zu sehen, wie der Nachwuchsforscher über die Jahre wächst, persönlich und fachlich.

Dieser direkte Kontakt werde ihr in Zukunft sicher fehlen, doch das «People  Management» wird ihr erhalten bleiben. Vor allem ist es ihr ein Anliegen, die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Forschungsabteilungen weiter zu fördern und die richtigen Leute für die jeweils anstehenden Fragen zusammenzubringen. Zimmermann: «Interessant wird es sein, die verschiedenen Materialien der Forschungsabteilungen in meinem Departement miteinander zu kombinieren und mit ungewöhnlichen Funktionen zu versehen.»

Informationen

Dr. Tanja Zimmermann
Departement Functional Materials
Tel. +41 58 765 41 15


Redaktion / Medienkontakt

Cornelia Zogg
Kommunikation
Tel. +41 58 765 44 54

Hörfunkbeitrag in Deutschlandfunk Kultur, Zeitfragen, vom 15. Mai 2018