Plattform «Zukunft Bau» fördert Innovation in der Schweizer Baubranche

Empa engagiert sich für CO2-optimiertes Bauen

14.11.2007 | MARTIN KILCHENMANN

Der Bau, Betrieb und Unterhalt sowie die Sanierung von Gebäuden sollen in der Schweiz künftig so wenig CO2 wie möglich erzeugen. Auf Initiative von Peter Richner, Leiter des Departements Bau- und Ingenieurwesen der Empa, hat die Plattform «Zukunft Bau» ein Positionspapier erarbeitet, worin sich Bauwirtschaft, Behörden, Finanzinstitute und Hochschulen verpflichten, bei Neubauten und Sanierungen ab sofort auf fossile Energieträger zu verzichten. Möglich machen sollen dies auch innovative Bautechnologien der Empa.

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Legende: Das vorgefertigte Dachelement bei der Sanierung eines Modellgebäudes an der Magnusstrasse in Zürich (Architekt K. Viridén, Zürich).

«Im Baubereich müssen jetzt die Weichen gestellt werden», sagt Peter Richner, Empa-Direktionsmitglied und Leiter des Departements Bau- und Ingenieurwesen sowie Vorstandsmitglied der Plattform «Zukunft Bau». Und dies heisst ganz deutlich: Weg von den fossilen Brennstoffen. Durch Verbrennen von Öl, Gas und Kohle entsteht CO2, das massgeblich zum Klimawandel und zum globalen Temperaturanstieg beiträgt. Zudem sei die Schweiz im Bereich fossiler Energieträger zu 100 Prozent von Importen abhängig, so Richner, was bei einer drohenden Verknappung zu Engpässen und stark steigenden Energiepreisen führen würde. Derzeit sind Bauten in der Schweiz für mehr als die Hälfte der CO2-Emissionen verantwortlich. «Wollen wir den CO2-Ausstoss hier zu Lande senken, kommen wir am Bau nicht vorbei», erklärt Richner. Und weil Gebäude im Durchschnitt nur alle 30 Jahre erneuert werden, müsste schnell gehandelt werden.

Der erste Schritt in Richtung CO2-optimierten Bauens erfolgt am 15. November 2007 an der Herbst-Plenarversammlung von «bauenschweiz», der Dachorganisation der Schweizer Bauwirtschaft. Im Namen der Plattform «Zukunft Bau» präsentiert Richner ein Strategiepapier, worin sich Bauwirtschaft, Behörden, Finanzinstitute und Hochschulen zu folgenden Massnahmen verpflichten:

  • Bis 2015 wird bei allen Neubauten und bei energetischen Sanierungen auf die Verwendung von fossilen Energieträgern für Heizen und Kühlen – wenn immer möglich – verzichtet.
  • Ausserdem sollen Architektur und Mobilität, die Einbindung in die städtebauliche Situation sowie die Verwendung von Baumaterialien und Ressourcen so optimiert werden, dass möglichst wenig CO2 anfällt.
 
Alte Gebäude verbrauchen viel Heizenergie: Gebaute Wohnfläche und Energiekennzahl Wärme der Wohnbauten im Kanton Zürich seit 1900.
 

Für energetische Sanierungen fehlen Lösungen

Für Neubauten sind laut Richner Technologien für CO2-optimierte Gebäude – zumindest bei der Gebäudetechnik – bereits weitgehend vorhanden. Deshalb fordert er, dass Standards wie Minergie oder Minergie-P bei Neubauten obligatorisch werden. Viel entscheidender seien solche Standards und Technologien jedoch für Sanierungen, denn Neubauten ersetzen in der Regel kaum ältere Gebäude mit hohem Energiebedarf – und führen deshalb gesamthaft nicht zu einem geringeren Energieverbrauch. Wird dagegen beispielsweise ein Gebäude aus den 70er-Jahren nach Minergiestandard saniert, verbraucht es danach für Heizung und Warmwasser viermal weniger Energie.

 

Allerdings fehlen gerade für Sanierungen teilweise noch praxistaugliche Lösungen. Zusätzlich wird bei der Finanzierung nachhaltiges Bauen nur von vereinzelten Finanzinstituten bevorzugt behandelt. Auch vermisst Richner im Bereich Minergie noch eine vielfältigere und ästhetischere architektonische Umsetzung. Und schliesslich bezeichnet er das «Investor-Nutzer-Dilemma» als weiteres Hemmnis. So könne ein Hausbesitzer die Kosten einer energetischen Sanierung – beispielsweise auf Minergiestandard – nicht vollumfänglich auf die Mieten übertragen, obwohl die Mieterinnen und Mieter hundertprozentig von der Sanierung profitieren, also mehr Komfort geniessen und weniger Energiekosten zahlen. In diesem Zusammenhang ist gemäss Richner die Politik gefordert. Die Wissenschaft und im Speziellen die Empa sind dagegen für technologische Neuerungen verantwortlich.

 

Empa entwickelt neue Hülle für alte Häuser

So forscht die Empa etwa im Bereich Hochleistungs-Dämmmaterialien wie Vakuum-Isolations-Paneelen oder Vakuum-Verglasungen. In einem anderen Projekt entwickeln Empa-WissenschaftlerInnen einen chemischen Wärmespeicher, der nahezu verlustfrei Wärme aus dem Sommer für die Wintermonate «konservieren» soll. Dabei wird Natronlauge durch die Sonnenstrahlung konzentriert. Bei Bedarf kann das Konzentrat durch Zugabe von Wasser wieder verdünnt werden, wodurch sich Wärme freisetzt.

 
Neue Hülle für alte Häuser: Als erstes ersetzt ein vorgefertigtes Dachelement das bestehende Dach (1+2), danach werden die nötigen Leitungen an die bestehende Fassade montiert (3) sowie die neuen Fassadenelemente angebracht (4+5). Den Abschluss bildet die Isolation der Kellerdecke (6).
  Eine Gesamtlösung für die Sanierung speziell von Mehrfamilienhäusern verfolgt die Empa zusammen mit Hochschulinstituten, Industriepartnern und der öffentlichen Hand im Programm «Nachhaltige Wohnbauerneuerung». Das Konzept ist einfach und klar: Beim Altbau wird das bestehende Dach durch ein optimiertes Dachmodul ersetzt, in das etwa Anlagen zur Nutzung von Sonnenenergie und auch die Komfortlüftung bereits integriert sind. Nötige Leitungen kommen auf die bestehende Fassade, die anschliessend mit vorgefertigten Fassadenelementen – Fenster inklusive – verkleidet wird. Dieses Projekt ist eingebettet in das nationale Netzwerk Gebäudetechnik und erneuerbare Energien (brenet) und wird unterstützt durch das Kompetenzzentrum «Energie und Mobilität» (CCEM-CH) des ETH-Bereichs, das Bundesamt für Energie und die Förderagentur für Innovation (KTI).
 

Fachliche Informationen:
Dr. Peter Richner, Bau- und Ingenieurwesen, Tel. +41 44 823 41 40,

Redaktion:
Martin Kilchenmann, Kommunikation, Tel. +41 44 823 44 10,