Symposium über Wohngifte am 8. November 2007 an der Universität Zürich

Wenn Stäube und Dämpfe das Raumklima vergiften

31.10.2007 | MARTIN KILCHENMANN
Ob zu Hause oder am Arbeitsplatz, wir alle wollen uns in Gebäuden und Räumen gesund und wohl fühlen. Dass dies nicht selbstverständlich ist und einiges dafür getan werden muss und kann, vermitteln ReferentInnen aus der Medizin, dem Bauwesen und der Wissenschaft am Symposium «Indoor Air» am 8. November an der Uni Zürich. Der Empa-Chemiker Peter Schmid hat ein Programm zusammengestellt, das Fachleuten und interessierten Laien die neusten Erkenntnisse über Wohngifte vermittelt.
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Meldungen über Wohngifte, beispielsweise überhöhte Formaldehydwerte in neuen oder renovierten Schulhäusern, tauchen regelmässig in den Tagesmedien auf – und davon könnte es künftig sogar noch mehr geben. «Die zunehmende «Chemisierung» unserer Umwelt sowie die Energie sparende und dadurch dichtere Bauweise können tendenziell zu einer höheren Konzentration von flüchtigen Stoffen in Innenräumen führen», sagt Peter Schmid, Mitarbeiter der Empa-Abteilung «Analytische Chemie». In diesem Zusammenhang findet am 8. November an der Universität Zürich die Fortbildungsveranstaltung «Indoor Air» statt. Organisiert wird sie vom Zentrum für Fremdstoff- und Umweltrisikoforschung Zürich XERR, die wissenschaftliche Leitung hat die Empa übernommen. Die Abteilung «Analytische Chemie» untersucht seit Jahren neue und verdächtige Stoffe wie beispielsweise bromierte Flammschutzmittel und steht beim Nachweisen derartiger Umweltchemikalien international an der Spitze.

 
Plötzlich auftretende schwarze Verfärbungen wie hier über einer Halogenlampe geben oft Rätsel auf.
 

Empa forscht dort, wo Erkenntnisse fehlen

Markus Zennegg, Wissenschaftler in derselben Abteilung, wird am Workshop über grau-ölige Verfärbungen auf hellen Oberflächen berichten, die wegen ihres plötzlichen und unvorhersehbaren Auftretens auch «black magic dust» genannt werden. Dieser schwarze Staub setzt sich vor allem oberhalb von Heizkörpern, an Vorhängen, Fensterrahmen, Kunststoffflächen, elektrischen Geräten und auf der Innenseite von Aussenwänden ab. Er tritt hauptsächlich in Neubauten sowie nach Renovationen und zudem meist während der Heizperiode auf. Ursachen gibt es viele und «eine eindeutige Aussage über die Herkunft ist wegen der Komplexität meistens nicht möglich», sagt Zennegg. Durch aufwändige Analyse konnte der Empa-Forscher die unzähligen Bestandteile des schwarzen Staubs bestimmen.

 

So finden sich darin hauptsächlich schwerflüchtige organische Verbindungen wie Weichmacher von Kunststoffen oder Fettsäuren aus Kerzenwachs, Textilien, Leder oder Kosmetika. Ausserdem können Bestandteile aus Wandfarben, Lacken, Reinigungsmitteln, Polituren, Schmiermitteln und vielem mehr nachgewiesen werden. Nach heutigem Wissensstand geht von den Ablagerungen jedoch kein Gesundheitsrisiko aus.

Andere mittel- bis schwerflüchtige Chemikalien, nämlich die polychlorierten Biphenyle oder PCB, wurden bereits vor über zwanzig Jahren verboten, weil sie im Verdacht stehen, Krebs erregend zu sein. Dennoch führen PCB-haltige Fugendichtungen in älteren Gebäuden noch heute zu erhöhten Belastungen. Mit diesen Stoffen und vor allem mit dem Sanieren von betroffenen Häusern beschäftigen sich in der Empa-Abteilung «Analytische Chemie» Andreas C. Gerecke und Cornelia Seiler. Sie konnten nachweisen, dass das Entfernen der betroffenen Fugen meist nicht ausreicht, da sich PCB im Laufe der Jahre auch in Bodenbelägen und anderen Inneneinrichtungen anreichert. Nicht minder problematisch sind gewisse bromierte Flammschutzmittel, die verhindern, dass Möbel, Vorhänge oder Elektrogeräte beim kleinsten Funken in Flammen aufgehen. Einige dieser Substanzen wurden ebenfalls bereits international verboten – etwa gewisse bromierte Diphenylether –, doch über das Ausmass der Belastung von Innenräumen sowie deren Quellen seien erst lückenhafte Erkenntnisse vorhanden, weiss Gerecke. So sind beispielsweise weiterhin erlaubte Flammschutzmittel im Hausstaub in hohen Konzentrationen zu finden.

 

Wenn Räume und Gebäude krank machen

Die gesundheitliche Bewertung der Raumluftqualität beurteilt Roger Waeber vom Bundesamt für Gesundheit, Fachstelle Wohngifte, als schwieriges Unterfangen. Trotzdem liessen sich einige gesundheitlich bedeutende Belastungen identifizieren. Im Fokus stehen einerseits die baulichen Rahmenbedingungen und andererseits das Verhalten der BewohnerInnen. So sei die wichtigste Schadstoffquelle in Innenräumen eindeutig der Tabakrauch. Das grösste Krebsrisiko geht dagegen von Radon aus, einem natürlich vorkommenden radioaktiven Edelgas, das über Undichtigkeiten aus dem Bauuntergrund in die Gebäude eindringen kann. Über Baustoffe, Einrichtungen sowie Reinigungsmittel erhalten so genannte flüchtige organische Verbindungen – mit Formaldehyd als bekanntestem Vertreter – Einlass in Wohn- und Arbeitsräume. Diese können zu unspezifischen Schleimhautreizungen sowie zu Kopfschmerzen, Benommenheit, Müdigkeit und allgemeinem Unwohlsein führen.

 
Solche Krankheitssymptome gehören für Gerhard A. Wiesmüller vom Universitätsklinikum Münster in Deutschland zum Alltag. Er wird von den neusten Studien über das «sick building syndrome» (SBS) berichten, das seit Mitte der 70er-Jahre als so genannte gebäudebezogene Gesundheitsstörung auftritt. Dabei verursacht eine noch unklare Kombination von physikalischen, chemischen, biologischen, psychosozialen und personengebundenen Faktoren ein ebenfalls nicht klar definiertes Krankheitsbild mit Reizungen der Schleimhäute von Auge, Nase und/oder Rachen, Irritationen der Haut sowie nervlichen Beschwerden. Einen wesentlichen Erkenntnisgewinn brachte kürzlich die deutsche ProKlimA-Studie, die durch eine umfassende Erhebung der Exposition am Arbeitsplatz die Bewertung von Umweltfaktoren des Innenraums im Zusammenhang mit dem SBS ermöglichte.
 

Schadstoffe und Gefährdung in den Griff bekommen

Die wissenschaftliche Betrachtung der Innenräume geht heute von einem sehr dynamischen System aus. So verteilen sich flüchtige Stoffe gemäss Tunga Salthammer vom Fraunhofer Wilhelm-Klauditz-Institut in Braunschweig zwischen Gasphase, Partikelphase und abgelagertem Staub. Diese Verteilung ist abhängig vom Sättigungsdampfdruck und entscheidet darüber, auf welche Weise eine Person mit dem Stoff hauptsächlich in Berührung kommen kann: über Hautkontakt, Hände in den Mund, Einatmen. Die eigentliche Belastung hängt dann entscheidend vom Verhalten und Alter der Personen ab – so sind etwa Kleinkinder, die am Boden kriechen, durch Stoffe im Hausstaub deutlich gefährdeter als Erwachsene.

 
Um die Gefährdung durch bekannte Schadstoffe in Innenräumen gering zu halten, existieren Raumluftstandards. Für deren erfolgreiche Umsetzung sind für Michael Pöll vom Amt für Hochbauten der Stadt Zürich, Fachstelle Nachhaltiges Bauen, drei Voraussetzungen das A und O: Erstens politisches Bekenntnis sowie finanzielle und personelle Ressourcen. Zweitens geeignete Instrumente wie Merkblätter, Empfehlungen und Normen. Und schliesslich drittens die eigentliche Umsetzung und deren Kontrolle etwa durch Messungen oder auch Besichtigungen von Baustellen. Sein Fazit: Das System funktioniert, wie das Beispiel Formaldehyd bestätigt, es bestehen aber noch diverse Probleme: etwa bei der Messtechnik, die für viele Substanzen noch zu teuer und zu aufwändig ist, oder bei der langsamen Einstufung von Chemikalien durch die EU. Am Schluss des Symposiums stellen sich die ReferentInnen den Fragen aus dem Publikum und sehen einer lebhaften Diskussion mit Fachleuten und interessierten Laien entgegen.
 

Weitere Informationen:
Dr. Peter Schmid, Analytische Chemie, Tel. +41 44 823 46 51, , www.empa.ch/analytik

Redaktion:
Martin Kilchenmann, Kommunikation, Tel. +41 44 823 44 10,