«Tag der Technik» im Zeichen effizienter Energienutzung

Eine Fitnesskur für den Gebäudepark Schweiz

30.10.2008 | MARTINA PETER
Im Gebäudebereich, der in der Schweiz für rund die Hälfte des gesamten Energieverbrauchs verantwortlich ist, liegt ein enormes Energiesparpotenzial brach. Dieses wird im Aktionsplan «Energieeffizienz» des Bundes für Heizung und Warmwasser in den nächsten 20 Jahren auf bis zu 70 Prozent geschätzt. Energieeffizienz und Nachhaltigkeit in den Blickpunkt zu rücken und technische Lösungen aufzuzeigen, ist daher das Ziel des diesjährigen Tags der Technik. Vom 3. bis 9. November finden zahlreiche Veranstaltungen zum Thema effiziente Energienutzung statt, unter anderem an der Empa.
/documents/56164/292023/a592-2008-10-30+Tag+der+Technik+2008-b1s.jpg/8abf33f6-d1b0-4237-b0b2-8a2b0ce61cfd?t=1448306314830
 

Legende: Für das Vorfabrizieren von Elementen wird eine Ebenheitsanalyse der Fassade mit 3D-Laservermessung benötigt. Jeder Farbwechsel zeigt eine Abweichung von einer vorgegebenen Ebene.

Unser nachlässiger Umgang mit Energie schadet nicht nur der Umwelt, sondern auch unserem Geldbeutel: Wirtschaft, Privathaushalte und öffentliche Hand verschleudern Jahr für Jahr rund zehn Milliarden Franken für vermeidbare Energieverluste. Wie sich etwa im Gebäudebereich Energie sparen lässt, ist eines der Themen des diesjährigen Tags der Technik, der von Swiss Engineering STV, der Schweizerischen Akademie der Technischen Wissenschaften SATW und dem Ingenieur- und Architektenverein SIA gemeinsam veranstaltet wird. Deshalb findet die Eröffnungsveranstaltung am 3. November im grössten Minergie-Haus der Schweiz statt, im neuen Gebäude von IBM Schweiz in Zürich-Altstetten.

Energie «fressende» Gebäude sind dringend zu sanieren
Mit dabei ist auch die Empa; Direktionsmitglied Peter Richner ist einer der Referenten. Er wird Ideen und Anregungen für einen «energieeffizienten Gebäudepark Schweiz» vorstellen. «Wir können es uns volkswirtschaftlich schlicht nicht mehr leisten, derart viel Energie – im wahrsten Sinne des Wortes – zu verheizen», so Richner, der derzeit für den SIA ein neues Energieleitbild erarbeitet; Energieeffizienz und die Nutzung erneuerbarer Energien sind auch hier zentral.
Richners Vortrag ist sozusagen ein «Appetizer» für das tags darauf an der Empa-Akademie in Dübendorf stattfindende «Technology Briefing» unter dem Titel «Fitnesskur für das Bauwerk Schweiz». ArchitektInnen, Energiefachleute, Immobilienverantwortliche und anderweitig Interessierte sind eingeladen, sich über neueste Entwicklungen und Wege zu informieren, wie sich dank neuer Materialien, Komponenten und Systeme das Energie «fressende» Bauwerk Schweiz nachhaltig erneuern lässt. Damit könnten laut Peter Richner gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden: «Zum einen hilft ein intelligenter Umgang mit der Ressource Energie, Geld zu sparen. Zum anderen lässt sich durch entsprechende Sanierungen die Lebensqualität der Bewohner erheblich steigern.»

Energetisch optimierte Altbauten verbrauchen viermal weniger Energie
Für die Fitnesskur kommen in erster Linie Altbauten in Frage. Denn für Neubauten ist das Problem laut Richner «technisch» bereits gelöst. Technologien für CO2- und energetisch optimierte Gebäude wie Minergie und Minergie-P sind vorhanden – und meist nicht wesentlich teurer. Doch weil Neubauten nur selten ältere Gebäude mit entsprechend hohem Energiebedarf ersetzen, führen diese nicht zu einem geringeren Gesamtenergieverbrauch. Wird dagegen ein Gebäude aus den 1970er-Jahren nach Minergiestandard saniert, verbraucht es danach für Heizung und Warmwasser rund viermal weniger Energie. Insgesamt geht es um etwa 1.4 Millionen Gebäude, die entweder saniert oder abgerissen und neu errichtet werden müssten.
Um den Gesamtenergieverbrauch des schweizerischen Gebäudeparks rasch und nachhaltig zu senken, muss daher einerseits die jährliche Erneuerungsrate von derzeit rund einem Prozent massiv gesteigert werden. Andererseits müssen Konzepte her, um die Altbauten energetisch «fit» zu machen, etwa durch Standardisierung, Modularisierung und Vorfabrikation ganzer Bauteile wie Dach- oder Wandmodule sowie durch eine vermehrte Nutzung von Solarenergie, Abwärme und Hochleistungsdämmstoffen. Im Projekt «Retrofit», das unter anderem vom Kompetenzzentrum für Energie und Mobilität des ETH-Bereichs (CCEM), vom Bundesamt für Energie (BFE) und der Förderagentur für Innovation (KTI) unterstützt wird, verfolgt die Empa zusammen mit ihren Partnern aus Wissenschaft und Industrie diesen Ansatz am Beispiel von Mehrfamilienhäusern.
Die Grundidee ist dabei bestechend einfach: Der Altbau wird in eine neue, hochdämmende und grossteils vorfabrizierte Hülle «eingepackt», das Dach etwa durch ein vorgefertigtes Dachmodul ersetzt, in das Anlagen zur Nutzung von Sonnenenergie und für die Komfortlüftung bereits integriert sind. Die dafür notwenigen Leitungen, etwa für die Lüftung, kommen auf die bestehende Fassade, die anschliessend mit ebenfalls vorgefertigten Fassadenelementen – Fenster inklusive – verkleidet wird.

 

Innovatives aus den Empa-Labors auf dem Weg in die Praxis

 
Um die vorgefertigten Module so platzsparend und effizient wie möglich herstellen zu können, entwickeln Forscher und Ingenieure der Empa neuartige Materialien und Komponenten wie Vakuum-Isolationspaneele (VIP), Aerogel-Verbundwerkstoffe oder Vakuumverglasungen für die «Hochleistungsdämmsysteme von morgen», wie Matthias Koebel von der Empa-Abteilung «Bautechnologien» erläutern wird.
 

 
  Montage eines vorgefertigen Fassadenelements inkl. Fenster, Leitungen für Medien und thermische Isolation auf einen aufgestockten Altbau.
 

 
 
Wird heutzutage ein Haus mit herkömmlichen Faser- oder Schaumstoffen wärmegedämmt, sind Isolationsschichtdicken von bis zu 40 Zentimeter notwendig. Nanostrukturierte Materialien wie pyrogene Kieselsäure oder Silica-Aerogel weisen dagegen bereits bei normalem Luftdruck eine wesentlich geringere Wärmeleitfähigkeit auf – also eine grössere «Dämmleistung» –, die sich durch Vakuumieren nochmals um den Faktor 5 verbessern lässt. Allerdings haben VIP (noch) eine Schwachstelle: ihre nicht völlig gasdichte, mechanisch empfindliche Hülle. Empa-WissenschaftlerInnen versuchen derzeit, die Lebensdauer der VIP auf 50 Jahre und mehr zu steigern.
Damit Entwicklungen wie diese auch den Weg in die Praxis finden, müssen sie mit innovativer Architektur kombiniert werden, um attraktiven Wohn- oder Arbeitsraum zu schaffen. Entsprechende Pilot- und Demonstrationsprojekte werden derzeit mit privaten und öffentlichen Bauherren, insbesondere der Stadt Zürich, durchgeführt. Der Architekt Beat Kämpfen, einer der Pioniere auf dem Gebiet, stellt an der Tagung einige von ihm bereits umgesetzten Projekte vor.
 


Weitere Informationen


Redaktion / Medienkontakt

 
 
 
Tag der Technik 2008

Fitnesskur für das Bauwerk Schweiz

Di, 4. November 2008, 15-18 Uhr
Empa-Akademie, Überlandstr. 129, 8600 Dübendorf 

Erstellung, Betrieb und Unterhalt von Gebäuden sind heutzutage für rund 50 Prozent des schweizerischen Energiekonsums verantwortlich. Zwar lassen sich neue Gebäude problemlos so erstellen, dass sie den Anforderungen eines nachhaltigen Umgangs mit Energie gerecht werden, doch der zukünftige Energieverbrauch wird noch auf viele Jahre hinaus durch die heute schon bestehenden Gebäude bestimmt.

Programm