FOKUS: Holz – völlig neu erdacht

Holz, das dem Feuer trotzt

05.04.2016 | LORENZ HUBER
Holz ist als leichter und fester Baustoff seit Jahrhunderten beliebt. Ausserdem ist Holz ein nachwachsender und leicht zu rezyklierender Rohstoff. Der Nachteil: Holz ist brennbar. Das muss nicht sein, wie ein Forscherteam der Empa beweisen konnte.
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Ökologisches Bauen liegt im Trend. Aspekte wie Nachhaltigkeit und Energieeffizienz von Gebäuden sind entscheidend. Bauherren und Architekten setzen daher immer häufiger auf Holz als Baumaterial, da der nachwachsende Rohstoff nicht nur braun, sondern auch grün ist. Tatsächlich bringt das Holz viele Vorteile mit sich, allerdings auch eine Reihe von Herausforderungen. Neben Fragen wie der Dauerhaftigkeit und der Dimensionsstabilität ist die Brennbarkeit ein limitierender Faktor bei der Verwendung des Holzes. Aus Gründen des Brandschutzes durften Bauherren bis vor kurzem Wohn- und Bürogebäude aus Holz nicht höher als sechs Stockwerke bauen. Selbst bei niederen Bauten bedurfte es oft verschiedener Verkleidungen, um einen angemessenen Brandschutz zu gewährleisten. Unter der Leitung von Empa-Forscher Ingo Burgert, der zugleich die Arbeitsgruppe «Holzbasierte Materialien» an der ETH Zürich leitet, hat nun die Doktorandin Vivian Merk einen Weg gefunden, um die Brennbarkeit des Holzes auf natürliche Weise zu reduzieren.
Mit Chemie den Schalter umlegen
Das Forscherteam der Empa und der ETH Zürich schützt das Holz vor den Flammen, indem es Kalziumkarbonat (Kalk) in der Zellstruktur des Holzes ablagert – das Holz also mineralisiert. Die Schwierigkeit liegt darin, das Mineral tief in die Struktur des Holzes zu bekommen. «Wenn ich einfach nur den Kalk nehme und versuche, ihn ins Holz zu bekommen, habe ich keine Chance. Die Verbindung darf erst im Holz selbst geschehen, sonst würde es nicht funktionieren», erklärt Ingo Burgert. Um zum Ziel zu kommen, tränken die Forscher das Holz in einer wässrigen Lösung aus Kohlensäuredimethylester und Kalziumchlorid. Kalziumchlorid ist ein Salz, das sich im Wasser leicht auflöst, genauso wie der flüssige Ester. Dieser findet beispielsweise als «grünes» Lösungsmittel Anwendung. Ist das Holz einmal bis in die Zellen mit dem Gemisch durchtränkt, erhöhen die Forscher unter Zugabe von Natronlauge den pH-Wert, bis die Lösung basisch wird. «Wir bringen die Ausgangsstoffe, die wir brauchen, zuerst ins Holz und legen dann sozusagen den Schalter um», verbildlicht Vivian Merk. Hat das Gemisch einen gewissen pH-Wert erreicht, zerfällt das Molekül nämlich in Alkohol und CO2. Letzteres beginnt nun mit den Kalzium-Ionen in der Lösung zu reagieren und verbindet sich zu Kalziumcarbonat, das sich tief in der Zellstruktur ablagert.
Alternatives Verfahren in Vorbereitung
Speziell bei diesem Verfahren ist, dass sich das Mineral hauptsächlich in den Zellwänden und kleinen Poren bildet. Bei einem alternativen Verfahren der Forschenden lagert sich der Kalk direkt in den röhrenartigen Holzzellen ab, verstopft sie gewissermassen. Der Unterschied bei diesem Prozess besteht darin, dass die Forscher mit zwei verschiedenen Lösungen arbeiten, mit denen sie das Holz abwechselnd durchtränken. Welche unterschiedlichen Auswirkungen der Kalk auf die Eigenschaften des Holzes hat, wenn er sich in den Hohlräumen der Zelle oder in den Zellwänden bildet, ist Gegenstand weiterer Untersuchungen. Bezüglich Brandschutz funktionieren beide Varianten ähnlich gut, wie Ingo Burgert anmerkt: «Es geht einfach darum, möglichst viel mineralische Phase, die nicht brennbar ist, ins Holz einzulagern.»
Hybridmaterial nach dem Vorbild der Natur

Die Inspiration für die Entwicklung solcher organisch-anorganischer Materialien finden die Wissenschaftler um Ingo Burgert in der Natur. Die Evolution hat eine ganze Reihe solcher sogenannter Hybridmaterialien hervorgebracht: Muschelschalen, Zähne, Perlmutt oder Knochen sind nur einige Beispiele. Gerade am Beispiel von Knochen lässt sich erklären, was ein Hybridmaterial ausmacht. Die Mineralisierung seiner organischen Struktur hat eine beeindruckende Verbesserung der mechanischen Eigenschaften zur Folge: bei Babys sind die Knochen noch weich, später werden sie steif und tragfähig.

Mehrere Brandtests, welche die Arbeitsgruppe bisher durchgeführt hat, lieferten vielversprechende Ergebnisse. Dank des Kalks in der Zellstruktur gelang es den Forschenden, die Brennbarkeit des Holzes auf etwa einen Drittel zu senken. «Es funktioniert sehr viel besser, als alle erwartet haben», sagt Merk. Neben der guten Feuerresistenz zeigt das mineralisierte Holz weitere Vorteile. Sowohl Holz als auch Kalziumkarbonat binden CO2 in sich, was umwelttechnisch sehr interessant ist. Die Forscher weisen darauf hin, dass sie weder bei der Herstellung noch beim Endprodukt gefährliche Stoffe verwenden. Ein Recycling des Hybrid-Holzes ist somit unbedenklich, ganz im Gegensatz zu Hölzern, die mit herkömmlichen Methoden flammhemmend ausgerüstet sind. «Man benutzt für den Brandschutz zum Teil wasserlösliche Borate, die negative Langzeitfolgen für die Gesundheit haben können», sagt Vivian Merk. Ausserdem wird herkömmlicher Feuerschutz oft von aussen aufs Holz aufgetragen. Solche oberflächlichen Beschichtungen können sich mit der Zeit ablösen, während im Hybrid-Holz der Brandschutz tief im Innern des Baustoffs eingelagert ist.

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Vivian Merk
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