Neuer Lufteinlass für Forschungsstation Jungfraujoch
Gratwanderung für frische Luft
Auf 3500 Metern über Meer ist Forschung manchmal ganz schön abenteuerlich. Um die Luftmessstation der Empa auf dem Jungfraujoch mit «sauberen» Proben versorgen zu können, installierte ein Team von Kletterern und Forschern einen neuen Lufteinlass: 50 Meter ausserhalb der Station auf einem schmalen Grat über dem Abgrund.
Die Messstation auf dem Jungfraujoch ist die Höchste in Europa. Die Luft in dieser Höhe ist eine wahre Fundgrube für Informationen zur Entwicklung von Schadstoffen und Emissionen auf dem ganzen Kontinent. Um diese Luft untersuchen zu können, muss sie allerdings aus der Atmosphäre angesaugt werden. Bislang geschah das auf dem Dach des Gebäudes – der sogenannten Sphinx. Die Sphinx wird allerdings nicht nur von Empa-Forschenden für Ihre Arbeit benutzt, sondern ihre Aussichtsplattform zieht auch täglich tausende von Touristen an. Nebst den direkten Emissionen von Touristen gibt es auf dem Jungfraujoch zahlreiche lokale Emissionen, beispielsweise durch Bauarbeiten oder aus Kühlgeräten und Schäumen, welche die Luftproben verfälschen können, die von den Forschenden analysiert werden.
Daher beschloss das Team rund um Martin Vollmer von der Empa-Abteilung «Luftfremdstoffe / Umwelttechnik» bereits 2012, die Luft 50 Meter von der Sphinx entfernt anzusaugen, um zukünftig noch «reinere» Luft zur Analyse zur Verfügung zu haben. Ausserdem sollten insgesamt neun Schläuche Luftproben zu unterschiedlichen Messgeräten liefern, die ausserdem beheizt sind. Das sorgt dafür, dass die Schläuche bei den Minustemperaturen auf dem Jungfraujoch nicht einfrieren. Diese Anforderungen führten dann zu mehrjährigen Tests und einem Projektplan, der nun umgesetzt worden ist.
Dem Lockdown sei Dank
Die insgesamt neun einzelnen Schläuche befinden sich in thermisch isolierten Dreierpaketen innerhalb eines Schutzrohres mit insgesamt 16 Zentimeter Durchmesser. Ganze hundert Meter lang ist dieses Konstrukt, das in einem aufwändigen Unterfangen aufs Jungfraujoch transportiert und anschliessend über den Grat hinaus in den Felsen montiert wurde. Dabei engagierte die Stiftung Hochalpine Forschung Jungfraujoch und Gornergrat die Unternehmen Geotest und RockTec, die auf dem Jungfraujoch jeweils auch Bergsicherungen vornehmen. Die erfahrenen Kletterer waren es, die den rund 500 Kilogramm schweren Schlauch von der Sphinx über den Grat spannten. Doch die Kletterpartie war nicht die einzige Herausforderung. Nur schon die Vorbereitung stellte die Forschenden vor Schwierigkeiten, mussten doch die drei Schlauchpakete zuerst durch das Schutzrohrgezogen werden. Bei 100 Metern kein leichtes Unterfangen.
Da kam dem Team der Corona-Lockdown zu Gute, denn der Carparkplatz in Grindelwald Grund stand aufgrund der fehlenden Touristen komplett leer und bot somit genügend Platz, die Einzelteile auszulegen, aufzurollen und dann in den Hauptschlauch zu ziehen. Das Ungetüm war jedoch zu gross, um es in den Aufzügen der Jungfraujoch-Station transportieren zu können. Ein Helikopter der Air Glacier flog deshalb die Schlauchrolle zur Sphinx, wo sie allerdings zwei Tage liegen blieb: Das schlechte Wetter machte einen Strich durch die Planung. Erst später konnte dann mit dem Verlegen begonnen werden.
Neuland für alle Beteiligten
Da dieses Unterfangen bislang noch niemand gewagt hatte, war allein schon die Planung eine Herausforderung. «Niemand hat Expertise auf diesem Gebiet», erklärt Vollmer. Oft war zudem Kreativität gefragt. Der Hauptschlauch beispielweise ist nichts anderes als ein umfunktioniertes Sickerwasserableitungsrohr. Und auch auf Optik mussten die Forschenden in der Planung achten, denn wer will auf den schönen Aufnahmen des Jungfraujoch ein schwarzes Schutzrohr sehen, das sich quer über das Bild zieht? So wurde die Leitung auf der Südseite – der weniger fotogenen Seite der Sphinx – verlegt.
Am Ende folgte dann noch eine Kernbohrung durch einen Meter Wand, um das Rohr ins Innere des Gebäudes zu bringen, ehe es dann im alten Liftschacht der Sphinx nach oben in die Labors gezogen wurde. Die letzte Etappe folgt dann eine Woche später, als an der äusseren Spitze des Grats der speziell an der Empa entwickelte Einlasschutz auf die Schläuche gestülpt wurde. Dieser sorgt dafür, dass die nach oben zeigenden Öffnungen der Schläuche nicht zugeschneit werden, damit diese auch bei den häufigen Minustemperaturen auf dem Jungfraujoch hochpräzise und verlässliche Luftproben zur Messstation liefern.
Bilder in druckfähiger Auflösung finden Sie hier. (Copyright siehe Bildstrecke)
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Beitrag im SRF2 Wissenschaftsmagazin vom 30. Mai 2020
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Atmosphärenforscher der Empa haben in der Messstation auf dem Jungfraujoch verbotene Luftschadstoffe entdeckt. Empa-Forscher Martin Vollmer erklärt, woher die Schadstoffe stammen könnten. Bild: Damian Markutt für Unsplash. Beitrag im SRF2 Wissenschaftsmagazin vom 6. Juni 2020