Biotechnologische Forschungsprojekte

Biopolymere - Bakterien als Plastiklieferanten

18.02.2003 | MARTINA PETER

In Forschungsprojekten an der Empa werden die geeigneten biotechnologischen Prozessbedingungen evaluiert und optimiert, um «Bioplastik», resp. Biopolymere, massgeschneidert herzustellen. Wegen ihrer guten Abbaubarkeit und hohen Bioverträglichkeit eignen sich natürliche Polymere für vielseitige Anwendungen in Industrie, Chemie, Pharmazie und nicht zuletzt in der Medizin.

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Massgeschneiderte Rohextrakte von Biopolymeren (Polyhydroxyalkanoat, PHA) vor (links) und nach der Reinigung (Mitte, rechts).
 

Ein Forscherteam der Empa arbeitet daran, Bakterien aus der Erde und aus Kläranlagen zur Produktion von wertvoller Biopolymermasse anzuregen. Werden den Mikroorganismen Nährstoffe und geeignete Kohlenstoffsubstrate zugefügt, produzieren einige von ihnen im Bioreaktor unter sorgfältig überwachten Bedingungen Biopolyester, die umweltverträglich und auch nachhaltig sind. Ihre grossen Vorteile gegenüber synthetischen Werkstoffen aus Erdöl: Sie werden von einem immer wieder nachwachsenden Rohstoff produziert und am Ende ihrer Verwendung von Pilzen oder Bakterien vollständig abgebaut.

Bis heute sind mehr als 90 Mikroorganismen bekannt, die im Zellinnern einen Kohlen- und Energiespeicherstoff einlagern. Dieser Speicherstoff besteht aus Polyhydroxyalkanoaten (PHA), also natürlichen Polyestern. Die in Granülen eingelagerten PHA lassen sich mit organischen Lösungsmitteln aus den getrockneten Zellen herauslösen und werden durch Umfällen mit Methanol oder Ethanol gewonnen. Übrig bleibt eine plastikähnliche Masse mit ganz spezifischen Eigenschaften – bereit für Einsätze in unterschiedlichsten Anwendungsgebieten in Industrie und Medizin.

 
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Kontrollierte Wachstumsbedingungen im Bioreaktor gewähren eine konstante, reproduzierbare Herstellung von Biopolymeren.
 

Am meisten PHA-Masse wird in den Zellen gebildet, wenn den Bakterien Kohlenstoffsubstrate, beispielsweise in der Form von Fettsäuren, im Überschuss angeboten werden. Wenn gleichzeitig aber ein anderer Nährstoff das Wachstum limitiert, vermehren die Mikroorganismen sich nicht mehr weiter, sondern beginnen, Biopolymere zu produzieren.

 
Die Verwendung von Kohlenstoffsubstratgemischen unter optimalen Wachstumsbedingungen erlaubt dieserart die Steuerung des molekularen Aufbaus der PHA und somit auch der makroskopischen, physikalischen Eigenschaften des Produkts. Ob der Biowerkstoff am Ende spröde, elastisch oder klebrig ist, entscheidet sich also aufgrund der Art der Mikroorganismen und der Wachstumsbedingungen im Bioreaktor.
 
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Quervernetzungen von ungesättigtem PHA ermöglichen die Herstellung eines bioabbaubaren Gummis.
 

Um nun Biopolymere mit massgeschneiderten Eigenschaften zu erhalten, erforschen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Empa diese Wachstumsbedingungen minutiös. Die kontinuierliche Kultivierung im Chemostat ist Voraussetzung für eine vollständige Kontrolle der Zellphysiologie. Die genaue Kenntnis von Wesen und Beeinflussbarkeit der Zellphyshiologie ermöglicht es dem Team, zahlreiche neue PHA-Rezepte für die Biosynthese mit Bakterienkulturen zu entwerfen.

 

Die nach den eigenen Rezepten hergestellten Biopolymere werden nicht nur nach physikalischen, sondern auch nach biologischen und chemischen Gesichtspunkten beurteilt, um das Eigenschaftsprofil der unterschiedlichen PHA-Werkstoffe zu ermitteln. PHA mit kurzer Seitenkette (sclPHA) sind Thermoplaste und können für medizinische Anwendungen und Wegwerfartikel (Labormaterial, Shampooflaschen) gebraucht werden. PHA mit mittlerer Länge der Seitenkette (mclPHA) sind flexibler als die spröden und steifen PHA mit kurzer Seitenkette – sie eignen sich ebenfalls bestens für medizinische Anwendungen. Vorstellbare Produkte aus Biopolymeren sind Wundfäden, Hautersatz, Implantate, Nervenstützen, künstliche Arterien, Venen und Herzklappen.

 

Damit noch nicht genug: PHA besitzen chemische Eigenschaften, die sie darüber hinaus befähigen, als Trägermaterial für andere Substanzen zu dienen. So werden zukünftig Medikamente in Implantate eingelagert sein: Während der menschliche Körper das Implantat abbaut, wird über genau definierte Zeiteinheiten präzis dosierte Arznei freigesetzt. Grundlagen zu dieser speziellen Anwendung werden zurzeit im Reagenzglas an der Empa erforscht.

Aber auch in der Industrie sind Anwendungsbeispiele für PHA denkbar. So lässt sich an die Biopolymere etwa «Zosteric Acid» (ZA) binden, ein ungiftiges Antifäulnismittel aus Seegras. Die derart modifizierte Biomasse könnte nun, wie die Empa ebenfalls erforscht, als Imprägnierung von Oberflächen im Kampf gegen den zerstörerischen Biofilm verwendet werden.

 

Fachliche Auskunft:

Dr. Manfred Zinn, Abt. Biokompatible Werkstoffe, Tel. 071 274 76 98, E-Mail:

Dr. Roland Hany, Abt. Funktionspolymere, Tel. 01 823 40 84, E-Mail: