Schritt für Schritt zum perfekten und nachhaltigen Strassenbelag

Asphalt nach Mass

12.07.2018 | KARIN WEINMANN

Den einen Asphalt, der für jede Strasse auf der Welt perfekt ist, gibt es nicht: Klimabedingungen, Verkehrsfrequenzen und Lasten stellen unterschiedliche Anforderungen an den Strassenbelag. Eine weitere Herausforderung: alten Asphalt so aufbereiten, dass er für neue Strassenbeläge eingesetzt werden kann. Dank Empa-Forschern rückt das Design des idealen Asphalts für jeden Strassentyp nun endlich näher.

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Eine kurvige Bergstrasse benötigt eine andere Art von Strassenbelag als eine Lastwagenspur auf der Autobahn. Bild: Filip Mroz, Unsplash

Strassen sind vielen Belastungen ausgesetzt: Sie müssen sowohl zunehmenden Verkehrsfrequenzen als auch immer schwereren Lastwagen standhalten – und das bei Hitze, Kälte und Regen. Mit der Zeit entstehen Risse, Spurrinnen und Schlaglöcher im Strassenbelag, die mit viel Aufwand und Kosten ausgebessert werden müssen. «Das Ziel der Asphaltforschung ist es daher, Strassenbeläge zu entwickeln, die den Belastungen möglichst lange standhalten», erklärt Martin Zaumanis, Asphaltforscher an der Empa-Abteilung Strassenbau / Abdichtungen unter Manfred Partl.

Doch den in allen Lagen perfekten Asphalt gibt es nicht – eine vielbefahrene Strasse in einer moderaten Klimazone benötigt andere Eigenschaften als eine selten befahrene Bergstrasse, die auch über den kalten Winter halten muss.«Mit modernen Technologien ist es möglich, die Eigenschaften des Asphalts so einzustellen, dass er zum Beispiel  widerstandsfähiger gegen Risse, rutschfester oder ruhiger wird – oder dass das Wasser besser ablaufen kann», so Zaumanis.

Schritt für Schritt zum perfekt angepassten Asphalt

Asphalt besteht aus zwei Basiskomponenten: Gestein in unterschiedlichen Korngrössen und dem Bindemittel Bitumen, eine schwarze klebrige Masse, die aus Erdöl gewonnen wird. Dabei übernimmt der Gesteinsanteil die Stützfunktion im Asphalt; das Bindemittel sorgt unter anderem dafür, dass die Masse zusammenhält und zähflüssige Eigenschaften besitzt.

Verschiedene Typen von Bitumen, Form und Grösse des verwendeten Gesteins, das Verhältnis zwischen den beiden Basiskomponenten, der Anteil an Poren und Zusatzstoffen aber auch moderne Technologien, wie Verfahren mit tiefen Herstelltemperaturen, oder dem Einsatz von rezykliertem Asphalt beeinflussen die Eigenschaften des fertigen Materials.  Doch wie kommt man nun zum gewünschten «idealen» Asphalt mit geringer Verform- und Rissanfälligkeit bei maximaler Dauerhaftigkeit?

 

 

Die verwendete Methode nennt sich Performance-basiertes Design. Dabei definiert der Hersteller zunächst, welche Eigenschaften der Asphalt haben soll und wählt dafür die «Zutaten» hinsichtlich Qualität und Quantität entsprechend aus. Die fertige Asphalt-Mischung wird dann künstlich gealtert und auf ihre gewünschten Eigenschaften getestet. Entspricht sie diesen nicht, wird die Mischung Schritt für Schritt verbessert und wieder getestet, bis sie das gewünschte Verhalten erreicht. Das klingt einfach – doch an welchen Schrauben soll gedreht werden, wenn die Strasse auch bei grosser Kälte nicht reissen soll? Was, wenn sie Hitze und schwere Lasten aushalten muss, ohne Spurrinnen zu bilden? Und wie können Ressourcen erhalten und Asphalt wiederverwertet werden?

Martin Zaumanis hat sich dem Thema angenommen. Auf der Basis einer langen Liste an älteren und neueren Forschungsresultaten erstellte Zaumanis eine Matrix, die den Einfluss verschiedener Parameter auf sechs gewünschte Eigenschaften beschreibt: Widerstandsfähigkeit gegen Spurrinnen, Feuchtigkeit, thermische und lastenbedingte Risse, Steifigkeit und Verarbeitbarkeit. «Diese Matrix soll künftigen Asphaltdesignern helfen, die Eigenschaften des Strassenbelags mit möglichst wenigen Schritten feinjustieren zu können», erklärt der Forscher.

Dieser Ansatz ist umso wichtiger, als neue Mischungsarten mit alternativen Materialien oder hohen Recyclingmengen im Vordergrund stehen. Dieser Schwerpunkt hat zu einem multidisziplinären Projekt an der Empa geführt, das vom Bundesamt für Umwelt unter der Leitung von Lily Poulikakos mit den Teammitgliedern Martins Zaumanis und Maria Chiara Cavalli von der Empa-Abteilung Strassenbau / Abdichtungen und Norbert Heeb und Maria Munoz Fernandez von der Abteilung für moderne analytische Chemie finanziert wurde. Maria Chiara Cavalli hat kürzlich an der ETH Zürich unter der Leitung von Lily Poulikakos und Professor Edoardo Mazza über die Chemie und Mechanik von Bitumen mit hohem Recyclinganteil und biobasierten Verjüngern promoviert. Die Schweizer Firmen BHZ und Ammann sind weitere Mitglieder dieses Projektes, das die Bedeutung alternativer Mischungen für die Industrie in der Schweiz zeigt.

Der Einsatz bestimmt die Eigenschaften

Ein Beispiel: Schwere Lasten können sowohl Spurrinnen als auch lastbedingte Risse begünstigen. Dies  ergibt ein Optimierungsproblem bei stark belasteten Belägen mit stark kanalisiertem Verkehr, etwa bei rechten Spuren von Autobahnen, Autobahnzufahrten oder Einspurstrecken vor Lichtsignalen: ein höherer Anteil an Bitumen im Asphalt erhöht zwar den Widerstand gegen die Risse – gleichzeitig wird aber der Asphalt weicher; sprich anfälliger gegen Spurrinnenbildung. Hier sind Zusatzstoffe die richtige Lösung, etwa der Kunstgummi SBS. Wenn dieser dem Bitumen beigemischt wird, erhöht dies sowohl den Widerstand gegen Spurrinnen als auch gegen Lastrisse. Der Nachteil zeigt sich aber darin, dass sich der Asphalt schwerer verarbeiten lässt.

In der Zukunft sollen Asphalthersteller dank der Methodik in wenigen Schritten zum gewünschten Asphalt kommen – und die Nutzer der Strasse profitieren ebenfalls: Denn je länger der Strassenbelag der Belastung standhält, desto seltener stockt der Verkehr wegen Strassenverkehrsarbeiten.

Informationen
Dr. Lily Poulikakos
Strassenbau / Abdichtungen
Tel.+41 58 765 44 79

Dr. Martins Zaumanis
Strassenbau / Abdichtungen
Tel. +41 58 765 60 75
martins.zaumanis@empa.ch


Redaktion / Medienkontakt

Karin Weinmann
Kommunikation
Tel. +41 58 765 44 54
redaktion@empa.ch


Links
M Zaumanis, LD Poulikakos, MN Partl; Performance-based design of asphalt mixtures and review of key parameters, Materials and Design, 141, 185-201 (2018); DOI: 10.1016/j.matdes.2017.12.035
 
Cavalli M. C., Zaumanis M., Mazza E., Partl M.N., Poulikakos L. D.: Aging effect on rheology and cracking behaviour of reclaimed binder with bio-based rejuvenators. Journal of Cleaner Production 189 (2018) 88e9; DOI: 10.1016/j.jclepro.2018.03.305
 

Cavalli M. C., Zaumanis M., Mazza E., Partl M.N., Poulikakos L. D.: Effect of Aging on the Mechanical and Chemical Properties of RAP Binder Treated with Bio-Based Rejuvenators Composites Part B 141 (2018) 174–181; DOI: 10.1016/j.compositesb.2017.12.060

 


100% Recyclingasphalt

Wenn Strassen aufgerissen werden, fallen grosse Mengen an altem Asphalt an. Darin verbergen sich zwei wertvolle endliche Ressourcen: Das Erdölprodukt Bitumen und die Gesteinskörnungen von hoher Qualität. Heute wird der alte Asphalt oft als unterste Schicht eines Strassenbelags verwendet, anstatt Asphalt aus frischen Ressourcen zu ersetzen. Unter der Leitung von Lily Poulikakos von der Empa läuft deshalb derzeit in der Schweiz ein Projekt zur Herstellung von Asphalt aus 100% recyceltem Material. Es ist eine Kooperation zwischen zwei Labors der Empa, dem Asphaltwerk Ammann, der ETHZ und dem Asphalthersteller BHZ und wird vom Bundesamt für Umwelt BAFU unterstützt. Das Projekt untersucht unter anderem Möglichkeiten, das gealterte Bitumen langfristig zu verjüngen, Technologien zur Herstellung von 100% recyceltem Asphalt zu fördern und die Umweltauswirkungen von recyceltem Asphalt zu bewerten. Um sicherzustellen, dass solche Beläge lange halten, wird eine leistungsabhängige Mischungskonstruktion eingesetzt.