«Nanotechnologien für textile Fasern» an der EMPA-Akademie

Funktionale Textilien: Zukunft dank winzigen Teilchen

14.07.2003 | BEAT ASCHWANDEN
Die auf Initiative von TOP NANO 21, der EMPA und dem Textilverband Schweiz am 4. Juli durchgeführte Fachtagung brachte VertreterInnen von Industrie und Forschung zusammen. Die Teilnehmenden erfuhren einiges über die Herausforderungen der Textilbranche, deren Erwartungen an Nanotechnologien und über die Grundlagen, an denen die Forschung im Nanobereich arbeitet.
/documents/56164/318676/a592-2003-07-10-b1m+Abperlen+von+Wasser.jpg/65f2f6e0-2107-4614-99bc-67f782852525?version=1.0&t=1448308797222
Textilbehandlung: Abperlen von Wasser. Rechts im Bild: Das Gewebe ist hydrophob, also wasserabstossend. Im Vergleich dazu links im Bild: Das Gewebe ist nicht behandelt, es dringt Wasser ein. (Quelle: Fraunhofer IGB)
 
«Das vierjährige Forschungsprogramm TOP NANO 21 soll Forschung und Industrie zusammenführen», erklärte Hans-Joachim Güntherodt vom Leitungsteam TOP NANO 21. Genau dieses Ziel verfolgen die vielen anwesenden Vertreterinnen und Vertretern aus der Textilindustrie. Sie müssen im immer stärker werdenden globalen Wettbewerb nach Wegen suchen, um der Konkurrenz den entscheidenden Schritt voraus zu sein.
 

Nano, Textilien und EMPA: drei Synonyme für Innovation

Die Nanotechnologie – das Arbeiten im Bereich von Milliardstelmetern – eröffnet auch der Textilindustrie immer neue Möglichkeiten. EMPA-Direktor Louis Schlapbach sprach stolz von den drei Begriffen «Nano», «Textilien» und «EMPA» als «Synonyme für Innovation». In der Tat: Die EMPA baut zurzeit in Verbindung mit Fachhochschulen, der Industrie und Kantonen in St. Gallen ein regionales Technologiezentrum auf. In dessen Rahmen fliessen Aktivitäten des von Markus Rüedi geleiteten Departementes «Materialien und Systeme zum Schutz und Wohlbefinden des menschlichen Körpers» in eine eigentliche Textilplattform ein. «Die Textilindustrie beginnt», so Schlapbach, «das Bekannte aus der Forschung für den eigenen Fachbereich anzuwenden.» Das führt zu technischen Geweben mit verschiedensten Funktionalitäten: vom Filtern schädlicher Umwelteinflüsse über Wasserdichtigkeit und -durchlässigkeit bis hin zur Applikation von Aromastoffen oder zum Schutz gegen elektromagnetische Strahlung.

 

Umwälzungen im Welthandel bedrohen die Textilindustrie

Tibor Pataky, Direktor des Textilverbands Schweiz, zeichnete ein bedrohliches Bild für die heimische Textilindustrie: Der Wegfall sämtlicher Einfuhrquoten für Textilien und Bekleidung in die EU, die USA, Kanada und Norwegen auf den 1. Januar 2005 bedroht die Textilindustrie in ihrer Existenz. Er prophezeit einen gnadenlosen Verdrängungswettbewerb, der vor allem durch China initiiert werden soll. Grosse Überkapazitäten sind im Entstehen. «Und sollte China tatsächlich mit betriebswirtschaftlich nicht nachvollziehbaren Preisen auf die Märkte drängen, dann ist der Preiszusammenbruch im Welthandel mit Textilien vorprogrammiert.»

 

Bedürfnisse aus der Praxis

Andreas Jack von der Christian Eschler AG erwartet von der Nanotechnologie, «dass sie Textilien mit verbesserten und neuen Funktionen ohne Veränderung in Optik und Griff ermöglicht, Ressourcen spart und ökologisch neue Ansatzpunkte aufgreift». Er ist sich aber auch bewusst, dass die Textilindustrie selber ihren Beitrag an die Forschung im Nanobereich leisten muss, und plädierte zu einer vernetzten Zusammenarbeit mit Chemie und Forschung.

Von Textilien und frischem Salat

Einem heiklen Thema nahm sich Brigitte Lindemann von Ciba Spezialitätenchemie (CSC) an: dem Schweiss und der Frische von Textilien. Ciba modifiziert Fasern auf der Basis von Nanocontainer-Mikrokapseln, die entweder durch abgegebene Antimikrobiotika das Bakterienwachstum verhindern oder Gerüche absorbieren. In beiden Fällen wird die Funktionalität des Gewebes beim Waschen wieder hergestellt – bis zu 50 Mal bei 40°C. Die Forscherin ist von der Nachfrage nach solchen Textilien überzeugt: «Wir bringen die Frische zum Anziehen. Beim Einkaufen wählen Sie ja auch nicht den welken Salat!»

Spannendes aus dem Forschungslabor

Die Reihe wissenschaftlich geprägter Referate begann Armin Fischer von der EMPA. Er thematisierte den Einsatz der Plasmatechnologie zur Behandlung von textilen Oberflächen. Für Textilien ergeben sich dabei vielfältige Möglichkeiten. Fasern können metallisiert werden, die Leitfähigkeit kann gesteigert werden, dekorative Stoffe geschaffen, Oberflächenmuster verändert oder Funktionalitäten wie das Abperlen von Wasser aufgetragen werden. Mit keramischen Sensoren (Piezo-Fasern) wird künftig sogar das Ziel verfolgt, Fasern in Textilien einzufügen und Anwendungen wie tragbare Computer möglich zu machen.

Thomas Graule, ebenfalls Forscher an der EMPA, präsentierte seine Ausführungen zur Pilotproduktion nichtaggregierter Keramikpulver als Rohstoffe für die Textilveredelung sowie die Nanopulver-Pilotanlage an der EMPA. Die hergestellten Nanopartikel betitelte er als «Zwerge mit Riesenkräften»: 30 Gramm Pulver haben dieselbe Oberfläche wie ein Fussballfeld. Potenzielle Anwendungsgebiete sind die Schaffung von noch besser flammhemmenden Materialien bei weniger Wärmeentwicklung, selbstreinigende Oberflächen und mehr.

Die Entwicklung von Faser-Polymer-Kompositen auf der Basis der Nanotechnologie erläuterte Christopher Plummer. Der EPFL-Forscher stellte dar, dass Stärke, Transparenz und Flammresistenz bei gleichzeitiger massiver Gewichtsreduktion des Materials gewichtige Argumente sind pro Nanokompositfasern. Im EPFL-Labor werden bereits Nanofasern gesponnen, und Plummer sieht als nächstes Ziel «die integrierte Verarbeitung von nanoskopisch aktiven Elementen».

Der «Trick» in der Produktion

Jens Gobrecht vom Paul Scherrer Institut (PSI) beklagte das technologische Manko bei der industriellen Produktion im Nanobereich. Er warf die Frage nach der Einsetzbarkeit von definierten Nanostrukturen zur industriellen Produktion auf. Sein Fazit: Nanotechnologie soll nicht zur direkten Herstellung von Produkten, sondern vielmehr zur Produktion der entsprechenden Werkzeuge eingesetzt werden. Als absolute Neuheit präsentierte er erste Forschungsergebnisse eines gemeinsames Projektes mit der EMPA in der Oberflächen-Strukturierung  von Polypropylenfasern.

An der Universität Genf wird ebenfalls intensiv an den Grundlagen geforscht. «Wir sind interessiert zu erfahren, was auf der Oberfläche von Textilien passiert, wie bestimmte Partikel mit Textilien interagieren und wie Polymere zur Oberflächenmodifizierung aufgetragen werden können», führte Michael Borkovec aus. Seiner allgemein gehaltenen Einführung liess er Erklärungen folgen über Arbeitsweise und Messtechniken sowie über verschiedenste Ergebnisse aus Forschungsanstrengungen und Experimenten.

Zum Abschluss der Wissenschaftsreferate gab Dirk Hegemann (EMPA) einen Einblick in die Nanoanalytik an Textilien. Mit einer Vielzahl von Methoden – vom Wiegen über Kontaktwinkelmessung bis zum AFM (atomic force microscope) – können heute Oberflächen im Nanometerbereich umfassend analysiert und daraus Schlüsse für die Weiterentwicklung gezogen werden.

Den Dialog fördern

«Wir haben heute gesehen, dass die Textilindustrie träumen darf», resümierte TEMAS-CEO und Mitglied des Leitungsteams TOP NANO 21 Karl Höhener, «auch wenn das globale wirtschaftliche Umfeld eine andere Sprache spricht». Er unterstrich die Wichtigkeit, «dass wir uns aufmachen, Produkte zu verbessern und neue Funktionen für den Markt zu entwickeln». Die Nanotechnologie ist ein Hilfsmittel dazu, das erst ganz am Anfang der Entwicklung steht. «Aber mit Nanotech eröffnet sich der Textilindustrie ein interessantes Spielfeld – besonders für KMU.»

Pascal Lorenzini, www.coteq.ch

 

Kontakt Empa:

Sabine Voser, Tel. 01 823 45 99,

E-mail

 
 
Weitere Dokumente