23. Wissenschaftsapéro

Schrott als Chance – Rohstoffe aus Elektronikabfall

29.04.2005 | LUKAS DENZLER
Computer, Handy, Unterhaltungselektronik – diese kleinen technischen Wunderwerke sind aus dem Alltag nicht mehr weg zu denken. Doch die mit Elektronik voll bepackten Geräte bescheren uns riesige Mengen Elektronikschrott. Der Umgang mit Elektronikschrott und die damit verknüpften Herausforderungen in den Industrie- sowie Entwicklungsländern standen im Zentrum eines Wissenschaftsapéros der Empa-Akademie in Dübendorf.
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Recycling von E-Schrott in der Schweiz (immark ag).
 

Bei Elektronikschrott denken viele zuerst an Computer. Kaum hat man nämlich einen Computer im Griff, ist die Version des Betriebssystems schon wieder veraltet und man überlegt sich den Kauf eines neuen, noch schnelleren Computers. Laut Lorenz Hilty, dem Leiter der Abteilung Technologie und Gesellschaft der Empa in St. Gallen, enthalten jedoch auch einfache Haushaltgeräte wie Kaffeemaschinen oder Staubsauger immer mehr Elektronik. In der Schweiz fallen pro Einwohner jährlich rund 10 Kilogramm Elektronikschrott an. Weltweit wird die jährlich verkaufte Menge elektronischer Geräte heute auf 35 Millionen Tonnen geschätzt. „Elektronikschrott enthält jedoch nicht nur Schadstoffe, sondern auch wertvolle Rohstoffe wie Edelmetalle und andere seltene Materialien“, betonte Lorenz Hilty in seinem Referat. In einem Laptop befindet sich etwa ein Gramm Gold. Das klingt nach wenig. Doch um die gleiche Menge Gold in Minen zu gewinnen, muss etwa eine Tonne Gestein bewegt und verarbeitet werden. Die Herausforderung beim Elektronikabfall liegt somit nicht in erster Linie bei der Entsorgung, sondern viel mehr in der Frage, wie sich die Rückgewinnung der wertvollen Rohstoffe organisieren lässt.

Erfolgreiches Schweizer Modell
Über das Schweizer Recycling-Modell des Elektronikabfalls berichtete Yvonne Vögeli vom Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL). Seit 1998 ist in der Schweiz die Elektronikschrott-Verordnung (VREG) in Kraft. Diese schreibt vor, dass elektrische und elektronische Geräte nicht mit dem Siedlungsabfall entsorgt werden dürfen. Ziel der Verordnung ist es, den Eintrag von Problemstoffen in die Kehrichtverbrennungsanlagen zu senken und verwertbare Metalle zurückzugewinnen. Per 1. Januar 2005 wurde die Geräteliste erweitert und neu sind sämtliche Verkaufsstellen verpflichtet, alte Geräte gratis zurückzunehmen. Die Finanzierung des flächendeckenden Sammel- und Recyclingsystems beruht auf einer freiwilligen Branchenvereinbarung und erfolgt über vorgezogene Entsorgungsbeiträge, die beim Kauf neuer Geräte zu bezahlen sind. Die in der Schweiz gesammelten Mengen seien deutlich höher als in anderen europäischen Ländern, sagte Yvonne Vögeli. Den Erfolg erklärt sie sich unter anderem mit dem guten Zusammenspiel von Vorschriften und Freiwilligkeit. Zudem sei die realisierte Lösung einfach und konsumentenfreundlich.

„Hinterhof“-Recycling in Entwicklungsländern
Die Ausfuhr von Elektronikschrott aus der Schweiz in andere Länder ist nur mit einer Bewilligung des BUWAL möglich. Damit soll verhindert werden, dass Elektronikschrott auf zweifelhafte Deponien gelangt. Doch die Entwicklungsländer leiden nicht nur an illegal importiertem Elektronikschrott. Länder wie Indien oder China produzieren infolge ihres rasanten Wachstums bereits selber riesige Mengen.

 
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Recycling von E-Schrott in Delhi, Indien
 

Der grösste Teil davon wird in „Hinterhöfen“ zerlegt und aufbereitet, was mit hohen Risiken für die Gesundheit und Umwelt verbunden ist. Im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft (seco) untersucht Rolf Widmer von der Empa diesen „informellen“ Sektor in China, Indien und Südafrika. Laut Schätzungen verdienen alleine im indischen Delhi gegen 10'000 Menschen ihr Brot in diesem Sektor. „Das Recycling funktioniert erstaunlich gut“, betonte Rolf Widmer. „Von der Elektronik gelangt fast nichts in den Siedlungsabfall.“

 
Das Hauptproblem bestehe darin, dass einige Prozesse für die Gesundheit sehr problematisch sind. Diese Prozesse gelte es zu identifizieren und in die reguläre Industrie zu überführen. „Mit Gesetzen ist dieses Ziel aber kaum zu erreichen“, ist Widmer überzeugt. Viel mehr brauche es geeignete Anreize, damit es sich nicht mehr lohne, die gefährlichen Prozesse in den Hinterhöfen durchzuführen.

Immer kleiner und smarter
Die meisten Geräte lassen sich heute mit vernünftigem Aufwand zerlegen. Ein Zuhörer forderte in der Diskussion, die Hersteller sollten bereits bei der Produktion das Recycling berücksichtigen. Doch die Entwicklung geht in eine andere Richtung. Die Geräte werden immer kleiner und in Zukunft könnten immer mehr Alltagsgegenstände winzige Mikrochips enthalten (Pervasive Computing). Lorenz Hilty: „Mit diesen smarten Objekten steigt nicht nur die Menge der Elektronik, sondern es wird auch immer schwieriger und aufwendiger, die elektronischen Komponenten vom Siedlungsabfall zu trennen und einer Wiederverwendung zuzuführen.“

 


Autor :
Lukas Denzler, Dipl. Forst-Ing. ETH und freier Journalist, Zürich

Kontakt:
Prof. Dr. Lorenz Hilty, Abteilung Technologie und Gesellschaft, Tel. 071 274 7345, lorenz.hilty@empa.ch