Wissenschaftsapéro

Krach im Himmel – wie sehr belastet uns der Fluglärm?

11.04.2003 | REMIGIUS NIDERÖST

Lärm ist komplex: Er ist schwierig zu messen, er wird subjektiv empfunden und es ist schwierig, ihm entgegenzutreten. Damit politische Gremien Massnahmen zum Fluglärm treffen können und in raumplanerischer Hinsicht Entscheide fällen können, müssen sie mit ausreichenden Grundlagen versorgt werden: Gefragt sind physikalische Messungen und Berechnungen des Lärms, aber auch Informationen darüber, wie und in welchem Ausmass sich Betroffene durch Lärm belästigt fühlen.

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Der Wissenschaftsapéro brachte einen Akustiker, eine Sozialpsychologin und einen Raumplaner vor ein Publikum, das in grosser Zahl in die Empa-Akademie geströmt war.

Ein ideales physikalisches Lärmmass, mit welchem Lärmwirkungen objektiv beurteilt werden können, gibt es nicht. Trotzdem sind Messungen und Berechnungen auf physikalischer Basis, wie die Empa sie anstellt, Entscheidungsgrundlagen, auf die nicht mehr verzichtet werden kann. Georg Thomann von der Empa-Abteilung Akustik erläuterte, dass Fluglärm gemäss Lärmschutzverordnung berechnet werden muss. Korrekte Fluglärm-Messungen erfordern jedoch einen enormen Aufwand an Zeit, Personal und Geräten. Die Empa hat deshalb ein Berechnungsverfahren (Flula2) entwickelt, das auf eigenen aufwändigen Quellenvermessungen an den wichtigsten Flugzeugtypen beruht. Die Computersimulation benutzt die mit Radar vermessenen Flugwege und ein digitales Modell der Topografie. Bei der Validierung des Verfahrens hat es sich gezeigt, dass Messungen und Simulation sehr gut übereinstimmen.

 

Schwierige Prognosen

Prognosen aufgrund von Belastungsrechnungen sind trotzdem schwierig anzustellen. Noch unklare Flugführungen, ein noch ungewisses Verkehrsaufkommen und ein noch unbekannter Einsatz der Flugzeugflotte bewirken Prognose-Unsicherheiten. Die Empa kann die Prognose-Unsicherheiten nicht beeinflussen, sie arbeitet jedoch stetig an der Verbesserung der modellbedingten Unsicherheiten. So wird zurzeit im Labor ein Verfahren getestet, welches mit 3D-Richtcharakteristiken und spektraler Schallausbreitung arbeitet. Für parzellenscharfe Entscheide wie den Einbau von Schallschutzfenstern oder Baubewilligungen in mit Lärm vorbelasteten Gebieten sind Prognosen nicht sehr geeignet. In Verbindung mit geografischen Informationssystemen geben sie jedoch wichtige Anhaltspunkte und Impulse für eine mit der Raumplanung im Einklang stehende Flughafenplanung.

 

Moderatorvariablen spielen Rolle bei Lärmbelästigung

Warum reagieren Personen, die dem gleichen Lärm ausgesetzt sind, unterschiedlich? Warum fühlen sich die einen belästigt, die andern nicht? Diese Fragen wurden im sozialwissenschaftlichen Teil der Lärmstudie 2000, welche die Belästigungswirkung von Fluglärm im Umkreis des Flughafens Zürich-Kloten erheben soll, aufgenommen.

Wie Katja Wirth vom Institut für Hygiene und Arbeitsphysiologie der ETH Zürich berichtete, zeigte die Untersuchung, dass die 1800 befragten Personen auf Lärm sehr individuell reagieren. Die Auswertungen deckten zwar einen Zusammenhang zwischen Fluglärm und Belästigung auf. Andere Variabeln, so genannte Moderatoren, beeinflussen den Grad, wie stark die Belästigung empfunden wird, aber viel beträchtlicher. Ausschlaggebend ist beispielsweise die umweltpolitische Einstellung des Befragten: Jemand, dem Umweltschutz am Herzen liegt, fühlt sich durch Fluglärm eher belästigt als jemand, der den Wirtschaftsstandort im Auge hat. Die Eigentümerin einer Immobilie ist empfindlicher als ein Mieter einer Wohnung. Die Studie zeigte aber auch, dass gewisse Variablen gar keinen Einfluss haben darauf, ob sich jemand belästigt fühlt. Es spielt z.B. keine Rolle, wie häufig jemand von Kloten aus abfliegt oder ob der Arbeitgeber mit Flugverkehr zu tun hat.

 

Vorschläge aus raumplanerischer Sicht für ein neues Gleichgewicht

Zürich wird nicht angefahren, Zürich wird im internationalen Hochgeschwindigkeitsverkehr angeflogen, so nahm Raumplaner Remo Steinmetz vom Institut für Raum- und Landschaftsentwicklung der ETH Zürich den Faden auf. Der Flughafen Kloten ist ein wichtiger «Gateway» für die Metropolregion Zürich, der aufgrund der Globalisierung und des verschärften Standortwettbewerbs noch an Bedeutung gewonnen hat. Das vorhandene Gleichgewicht zwischen Raum- und Flughafenentwicklung ist Ende der 80er-Jahre jedoch gekippt. Die überdurchschnittliche Zunahme von Flugbewegungen, bauliche Entwicklungen ausserhalb des Flughafens, veränderte Wahrnehmung von Fluglärm, der Staatsvertrag mit Deutschland und der beinahe kollabierende Autoverkehr um den Flughafen haben einen Zustand herbeigeführt, der von niemandem mehr als Optimum empfunden wird. Dem gilt es auch aus raumplanerischer Sicht entgegenzuwirken.

Die Raumplanung mit ihren Instrumenten hilft bei der Suche nach einem neuen Gleichgewicht der Interessen und an der Erarbeitung lokaler Entwicklungsstrategien. So forderte der Raumplaner dazu auf, den Flughafen als System zu erfassen, in dem für Ausgleich und Neuordnung gesorgt werden müsse. Es solle klar auf den Tisch gelegt werden, dass es Verlierer und Gewinner gibt und dass man sich über den Ausgleich der Verlierer auseinander zu setzen habe. Planerische, bauliche, betriebliche und finanzielle Massnahmen, z.B. Umzonungen und Umnutzungen sowie Entschädigungen aus Fonds sollten konsequent aufgezeigt und umgesetzt werden.

 
 
Weitere Dokumente

Medienmitteilung Krach im Himmel.pdf: 161 KB

Flugzeug über Bäumen.tif: 6.22 MB, Download für Medien

Flugzeug mit Wolken.tif: 6.18 MB, Download für Medien