Erkenntnis-Transfer von der Biologie in die Technik

Hornissen – die vorbildlichen Meister des Leichtbaus

23.09.2004 | MARTINA PETER

In Versuchsständen auf einem Empa-Dach in Dübendorf beherbergen Forscher aus der Abteilung Holz derzeit zwei Hornissenpopulationen. Sie untersuchen die faszinierenden Leichtbaukonstruktionen der sozialen Hautflügler und ihre Strategien zur Thermoregulation, um daraus neue technische Lösungen abzuleiten.

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Eine Hornisse auf dem Weg zu ihrem Nest.
 
Dank einer äusserst effektiven Thermoregulation bewahren Hornissen in ihren Nestern bis in den Spätherbst hinein eine konstante Bruttemperatur um 29°C. In ihren filigranen Leichtbaukonstruktionen aus abgenagten Holzspänen und Speichel halten die sozialen Insekten die Innentemperatur mit einer Kombination verschiedener physikalischer Prinzipien konstant auf hohem Niveau – ein spannendes Feld für MaterialwissenschaftlerInnen.
 
Die Empa-ForscherInnen versuchen herauszufinden, wie gross das bionische Potenzial dieser Phänomene ist, d.h. ob aus den beobachteten Leistungen der Natur neue technische Lösungen, beispielsweise für Fassadenkonstruktionen, abgeleitet werden können.
 
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Ein bewohntes, hängendes Hornissennest im Versuchsstand.
 

Mit Temperatur- und Feuchtefühlern im Nest und Lichtschranken am Nesteingang zeichnen sie sämtliche Schwankungen und Bewegungen auf und werten sie anschliessend aus.

 

 

Hornissen haben, wie alle Insekten, aufgrund eines ungünstigen Verhältnisses von Körperoberfläche und Körpervolumen hohe Wärmeverluste. Eine isolierende Nesthülle aus Luftkammern hält diese Wärme jedoch im Nest und führt sie der Brut zu.

 
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Eine schlüpfende Hornisse.
 
Um an warmen Tagen hingegen Überhitzung zu vermeiden, müssen sie eine beträchtliche Menge an überschüssiger Wärme aus dem Nest abführen können. Auf thermische Trägheit ihrer Konstruktion können sich die Insekten dabei nicht stützen, denn sie bauen besonders leicht, um den Energie konsumierenden Bauaufwand gering zu halten. Erschwerend kommt ebenfalls hinzu, dass das Nest so lange ausgebaut wird, bis die Population im späten Sommer ihren Höhepunkt erreicht. Diesen unterschiedlichen Anforderungen begegnen die Tiere mit der Integration von spezifischen Verhaltensweisen, Konstruktionsprinzipien und nicht zuletzt der Wahl eines geeigneten Baumaterials.
 
Exemplarische Konstruktion, angepasste Verhaltensweise und zweckmässiges Baumaterial
 
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Hornissennest mit aufgeschnittener Hülle. Die Struktur im Innern wird sichtbar.
 

Dank der Konstruktion ihres Nests aus waagrechten Wabentellern, umschlossen von einer gekammerten Hülle, sind die Insekten in der Lage, die Nesttemperatur verhältnismässig genau zu regeln und den Wärmeabfluss der Einzeltiere besonders während kühler Nächte einzudämmen.

 
Bei drohender Überhitzung hingegen bedienen sich die Hornissen eines Dampfdruckgradienten zwischen Nestinnerem und Umgebung. Die Luft im Nest ist feuchter und wärmer, enthält somit im Vergleich zur Aussenluft mehr Energie pro Gewichtseinheit. Mit ventilierenden Flügeln sitzen die Hornissen dann am Nesteingang, sorgen für eine höhere Luftwechselrate und führen so Energie aus dem Nestinneren ab.

Das holzbasierte Baumaterial ist zudem hygroskopisch, d.h. es bindet Wasser an sich. Nachts nimmt es Feuchte auf und gibt dabei im Nestinneren Kondensationswärme ab, tagsüber gibt es diese über kühlende Verdunstung wieder ab. Durch gezielten Feuchteeintrag und zusätzlichen Luftaustausch sind die Hornissen in der Lage, diesen Effekt noch zu verstärken.

 

Vorbild für belüftbare Gebäudehüllen und passive Dämpfer zugunsten besseren Innenklimas

 
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Raoul Klingner betrachtet die Struktur eines Hornissennestes.
  Die Ergebnisse des vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützten Empa-Projekts fliessen auch in die Dissertation von Raoul Klingner ein, die er in Zusammenarbeit mit dem Institut für Hochbautechnik der ETH Zürich schreibt. Ziel von Projekt und Dissertation ist es, das thermodynamische Verhalten der natürlichen Konstruktion aus Holz besser zu verstehen.
 
Es ist durchaus möglich, dass aufgrund der Erkenntnisse eine Anwendung dieser effizienten Mechanismen auch im Holzbau erfolgen könnte. Denkbar sind einerseits Adaptionen von mehrschichtigen und belüftbaren Gebäudehüllen; andererseits könnte das hygroskopische Potenzial des Baumaterials Holz ausgeschöpft werden, indem es als passiver Dämpfer gegen unerwünschte Schwankungen des Innenklimas eingesetzt wird.
 

Für inhaltliche Auskünfte:

Raoul Klingner, Abteilung Holz, Tel. +41 44 823 46 60, E-mail:

Dr. Klaus Richter, Abteilung Holz, Tel. +41 44 823 41 15, E-mail:

 

Redaktion:

Martina Peter, Abt. Kommunikation/Marketing, Tel. +41 44 823 49 87, E-mail: