Empa-Jahresbericht 2016 ist online

Materialien in einer digitalisierten Welt

03.05.2017 | GIAN-LUCA BONA
Tauchen Sie ein in die spannende Welt der Forschung und Innovation; Sie werden überrascht sein, wie breit die Empa das Spektrum der angewandten Forschung im Bereich der Materialwissenschaften und Technologieentwicklung definiert.
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Letztes Jahr haben mich vor allem zwei Vorträge an der Empa zum Nachdenken über gesellschaftliche und technische Entwicklungen angeregt. Zum einen zeigte Gerd Folkers, der Präsident des Schweizer Wissenschafts- und Innovationsrats, auf, dass sich die Anzahl der Forschenden sowie deren Währung, die Zahl der Publikationen, in den letzten Jahren vervielfacht hat und dass sich Forschung in vielen Bereichen weg von den reinen Grundlagenfragen hin zu ökonomisch verwertbarem Wissen entwickelt. Was bedeutet das für unsere Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen? Sie sollten sich stets das Ziel jeglichen Forschens vor Augen halten: die Grenzen des Wissens zu verschieben. Das gelingt ihnen nur, wenn sie sich Freiräume für kreatives Denken und Hinterfragen erhalten und sich nicht durch eine globalisierte Konkurrenz dazu verleiten lassen, den Lebenslauf mit «gehypten» Publikationen aufzupolieren.

Zum anderen hat Alessandro Curioni, Direktor des IBM-Forschungszentrums in Rüschlikon, aktuelle Entwicklungen im «Cognitive Computing» präsentiert – also Computersysteme, die wie unser Hirn in der Lage sind, unstrukturierte Daten zu erfassen, auszuwerten, daraus zu lernen und sie zusammengefasst oder gar weiterverarbeitet zur Verfügung zu stellen. So kann man etwa neue Legierungen entwickeln, die sich durch die Kombination verschiedener Materialklassen optimieren lassen. Es birgt aber auch die Gefahr, dass Computer für bestimmte Fragestellungen den Menschen (bzw. den Forschenden) obsolet machen, da sie diese Aufgaben schlicht besser lösen können. Besonders interessant ist es, die Aussagen der beiden Vorträge zu kombinieren. Die enorme Datenmenge, die in der heutigen Forschung generiert wird – allein in den Materialwissenschaften werden jedes Jahr hunderttausende von Publikationen veröffentlicht –, kann vom menschlichen Gehirn gar nicht mehr verarbeitet werden. Ein Computer, der menschlichen Denkmustern nachempfunden ist, kann die Forschenden hierbei unterstützen und dadurch Gestaltungsfreiräume schaffen, damit sich Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen wieder vermehrt in unbekannte Gebiete vorwagen und kreativ mit Ideen spielen, anstatt nur nackte Daten zu veröffentlichen, die sich gut verkaufen lassen, da das Forschungsthema gerade «in» ist.

«Cognitive Computing» ist allerdings nur ein Teil der derzeit rasant voranschreitenden Digitalisierung, die auch an der Empa in vollem Gange ist. Immer mehr investieren wir in rechnerische Simulationen und die Modellierung wissenschaftlicher Fragestellungen. Im «Coating Competence Center» (CCC) und im «Center for Advanced Manufacturing» (CAM), wo neue Materialien für die additive Fertigung entstehen, wird quasi die Zukunft der Herstellungsverfahren vorweggenommen – und die verläuft grösstenteils digital, sei es in der Planung, im Produktdesign, in der Qualitätskontrolle oder beim Optimieren der Distributionskanäle. Ausserdem arbeiten wir daran, die zwei Demonstratoren NEST und move durch einen dritten, ehub, energetisch zu verknüpfen und intelligent zu steuern.

Alle Forschungsplattformen der Empa – NEST, move, ehub, CCC und CAM – sind offen für Projekte im Bereich «Internet of Things» (IoT) und Industrie 4.0. Gemeinsam mit unseren Partnern aus Industrie, Wirtschaft und Forschung möchten wir ein Ökosystem für «Open Innovation» schaffen. Der durch die Digitalisierung markant beschleunigte technologische Wandel betrifft uns alle, deshalb müssen wir ihn gemeinsam gestalten und lenken. Damit die Schweiz davon bestmöglich profitieren kann.

Informationen

Dr. Michael Hagmann
Kommunikation
Tel. +41 58 765 45 92


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