Der Meister des Aerogels

«Forschung soll man geniessen»

16.05.2018 | CORNELIA ZOGG

Matthias Koebel, Leiter der Forschungsabteilung «Building Energy Materials and Components» an der Empa setzt sich hohe Ziele und kombiniert erfolgreich neugierigen Forschergeist mit unternehmerischem Flair. Sein Spezialgebiet sind Aerogele.

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Matthias Koebel ist ein Praktiker. Einer, der Dinge nicht nur verstehen, sondern auch anwenden möchte. Das spürt man sofort, wenn er über die Forschungsprojekte seiner Abteilung «Building Energy Materials and Components» spricht. Forschung ist seine Leidenschaft, ganz besonders dann, wenn die Projekte, die er anpackt, schliesslich den Weg vom Labor «auf die Strasse» finden. Eines seiner Kernthemen ist dabei Aerogel, eine Materialklasse, die aufgrund einzigartiger Eigenschaften in unterschiedlichsten Bereichen als vielversprechende Alternative zu bisherigen Materialien gehandelt wird – vom Weltraum bis zur Bauindustrie. Ein klassischer Vertreter, Silikataerogel, ist hitzebeständig bis 600 Grad, superleicht, ungiftig, wasserabstossend, extrem gut wärmedämmend und lässt sich als Pulver oder als Granulat herstellen und in Produkten vielseitig einsetzen.

Glückliche Zufälle

Allerdings ist die Herstellung von Aerogel nach wie vor teuer, das Material kann daher nur schwerlich mit herkömmlichen Materialien konkurrieren. Koebel und sein Team haben es jedoch geschafft, Aerogel nicht nur im Labormassstab einfacher herzustellen, sondern auch im so genannten Scale-up wichtige Erfahrungen zu sammeln. Am Ende gelang die Herstellung des Materials in Grossmengen mit einem vereinfachten und erst noch günstigen Verfahren.

Der Weg dorthin war allerdings alles andere als geradlinig, denn zu Aerogel kam der gebürtige Aargauer durch eine Reihe glücklicher Zufälle, die – wie er sagt – in seinem Leben zahlreich waren. Ein Zufall war es etwa, dass er als Chemiker an der Empa in der damaligen Abteilung «Bautechnologien» landete – als eine Art Exot unter lauter Architekten, Bauphysikern und Ingenieuren. Dort stiess er dann im Rahmen eines KTI-Projekts auf Aerogeldämmstoffe. Und auch hier kam ihm sein Forschergeist zugute, denn mit einem blossen Up-Scaling gab sich Koebel nicht zufrieden. «Um etwas vom Labormassstab in die Grossproduktion zu bringen, muss man zuallererst den Prozess verstehen», erklärt er.

Das führte dazu, dass das Team aus «Nobodies» damit begann, Aerogel selbst zu synthetisieren und sich so ins Thema einzuarbeiten. Nur wenig später fand sich Koebel auf einem Kongress in den USA zwischen all den «Top-Shots» des Forschungsgebiets wieder, was unter anderem dazu führte, dass er als Co-Editor ein Referenzwerk zum Thema Aerogel mitgestalten durfte und sich im Laufe der Jahre immer weiter mit dem Thema beschäftigte. Und dies mit einem gewissen Erfolg, wie er nicht ohne Stolz sagt: «Mittlerweile sind wir extrem vernetzt und gehören selbst zu den Top-Shots in unserem Gebiet.»

Vom Labor in die Gesellschaft

Seine starke Ausrichtung auf die Praxis spiegelt sich in der Struktur seiner Abteilung wider. Zwei Teams fokussieren sich auf die Grundlagenforschung von Aerogel und anderen Kolloidmaterialien, eine dritte Gruppe kümmert sich einzig und allein darum, Anwendungen für die neuen Materialien zu eruieren. Ideen hat Koebel genug, aber von den zahlreichen Einfällen verfolge er nur jene, die in seinen Augen als vielversprechend gelten – da ist Koebel ganz Entrepreneur, dem nicht nur die Forschung am Herzen liegt, sondern auch die Gesellschaft. Sich selbst sieht er dabei eher in der Rolle des «Mad Scientist» – aber nur um gleich darauf klarzustellen, dass seine Ideen keineswegs an der Labortür haltmachen. «Ich möchte etwas bewirken», betont er, und genau daher ist es für ihn zentral, nicht nur Forschung im Labor erfolgreich voranzutreiben, sondern auch deren Umsetzung am Markt. Seine Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollten daher zweigleisig denken, also nicht nur die nächste Publikation, sondern auch eine industrielle Umsetzung im Auge behalten. Denken und experimentieren brauche Zeit, ein ­Aspekt, der in unserer auf quantitativen Output getrimmten Gesellschaft oft verloren­gehe. In Koebels Labor dürfe es dagegen durchaus einmal länger dauern bis zur nächsten Publikation, dafür muss die Qualität stimmen.

Chemiker und Hobby-Koch

Genuss ist ein Prinzip, das Koebels Leben generell prägt. Sich Zeit lassen, damit viele Ideen getestet werden können, damit sich gute Forschung entfalten kann und man am Ende dort, wo die wahren Schätze vergraben sind, den Dingen komplett auf den Grund gehen kann. «Chemie ist wie Kochen», vergleicht Koebel seine Arbeit. «Ein Koch muss seine Zutaten kennen, das Handwerk beherrschen und ein Gourmet sein, um gute Arbeit zu leisten. Er muss den Prozess geniessen. Das sollte ein Chemiker auch: Forschung geniessen.» Kein Wunder, ist Koebel in seiner Freizeit daher ebenfalls ein Gourmet und leidenschaftlicher Koch. Egal, ob er zu Hause am Herd oder im Labor neue Rezepte austüftelt, für ihn kommt die Freude an der Sache immer an erster Stelle.
 


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Cornelia Zogg
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