Legende: Mit Temperaturen zwischen 110
und 180°C bestimmen die Empa-Forscher die Grösse der
leuchtenden Quantum Dots (von zwei bis acht Nanometer). Die Farbe
der Quantum Dots verändert sich je nach Grösse (von gelb
bis rot).
«Nano» revolutioniert derzeit nicht nur die
Materialwissenschaften, sondern auch die Verfahrenstechnik. Selbst
eine so traditionelle Technologie wie Kleben – bereits die
Neandertaler haben einen «Eiszeit-Uhu» auf
Birkenpechbasis hergestellt – lässt sich mit
Nanopartikeln zu einer hochmodernen Fügetechnik
«tunen». Um den Polymerklebstoffen aber bestimmte
massgeschneiderte Eigenschaften – beispielsweise einen
optischen Lichtbrechungsindex – zu verleihen, ist eine
komplizierte Prozedur erforderlich. Die winzigen Partikel, die den
herkömmlichen Klebepolymeren beigemischt werden, müssen
einerseits alle gleich gross sein, anderseits dürfen sie nicht
aneinander haften, müssen also gleichmässig im Klebstoff
verteilt sein. Dadurch erhalten die Leimstellen einen höheren
Lichtbrechungsindex und innere Festigkeit.
Verklumpen verboten
Die Evolution war die erste «Anwenderin» der
Nanotechnologie. Viele Phänomene und «Tricks» der
Nanowelt lassen sich am besten an Beispielen aus dem Tier- und
Pflanzenreich veranschaulichen. So auch die Kräfte, die
für die Wechselwirkung zwischen Nanopartikeln verantwortlich
sind. «Erklimmt beispielsweise ein Gecko einen senkrechten
oder überhängenden Felsen, macht er sich diese
Anziehungskräfte zunutze. Unzählige Härchen an den
Füssen des Reptils übertragen kleinste Kräfte, deren
hohe Anzahl das Haften ermöglicht.» So beschreibt
Hervé Dietsch von der Abteilung «Nanoscale Materials
Science» die so genannten Van-der-Waals-Kräfte, die auf
der Ebene von Atomen und Molekülen – also im Nanokosmos
– für das Verklumpen der Teilchen verantwortlich
sind.
Diese Kräfte möchten die Empa-Forscher zusammen mit
Kollegen der Uni Fribourg neutralisieren, um Materialien mit
neuartigen Eigenschaften zu entwickeln. Denn nur wenn die Partikel
gleichmässig verteilt sind und nicht verklumpen, resultiert
die grösstmögliche Oberfläche, um
chemisch-physikalische Eigenschaften signifikant zu verbessern. So
lassen sich zum Beispiel extrem harte und dennoch durchsichtige
Kunststoffe herstellen. Klebstoffe zeigen einen
Lichtbrechungsindex, der mit herkömmlichen Produkten nicht
erreicht wird. Solche Materialien werden zunehmend bei optischen
Geräten wie Ferngläsern und -rohren eingesetzt, um damit
die optischen Bauteile zu verkleben. Nur wenn die Leimstellen
denselben Lichtbrechungsindex wie die zu verklebenden Glasprismen
aufweisen, lassen sich optische Verzerrungen vermeiden.
Nass statt trocken
Das ist allerdings einfacher gesagt als getan. Denn Nanopartikel
verklumpen sofort, wenn sie dem Kunststoff im herkömmlichen
Verfahren, sprich als Pulver, beigemischt werden. Anders in den
Forschungslabors der Empa. Hervé Dietsch stellt die kleinen
Partikel aus Siliziumoxid in einer Lösung her, unter
Bedingungen, die ein Verkleben erschweren. Über die
Konzentration der Ausgangsstoffe in der Lösung steuert der
Forscher die Grösse der Partikel, deren Durchmesser von 30
Nanometer bis zu einem Mikrometer reichen. Zusätzlich
verändert er die Oberfläche chemisch, damit sich die
Partikel gegenseitig abstossen und sich später mit dem
Kunststoff besser verbinden. Dieses Verfahren biete etliche
Vorteile, um «mit der Oberfläche der Partikel zu
spielen, ob chemisch oder physikalisch. So haben wir jederzeit die
Kontrolle über die Oberfläche», sagt Beat Keller,
der Dietsch während seiner Dissertation an der Empa
betreute.
Vor der Polymerisation des Kunststoffes mischen Keller und
Dietsch dem Monomer – dem «Kunststoffbaustein»
– die modifizierten Partikel mitsamt dem Lösemittel
bei. Dieses verdampft, wenn sich die Polymerketten bilden.
Übrig bleibt ein durchsichtiges und kratzfestes Material. Das
Endprodukt sei perfekt, das Herstellungsverfahren aber
aufwändig, weshalb es derzeit für einen Einsatz in
grossem Stil noch nicht in Frage käme, so Dietsch. Für
bestimmte Hightech-Anwendungen wie Speziallacke für die
Weltraumindustrie könnte es aber bereits eingesetzt werden.
Das Verfahren soll nun in Zusammenarbeit mit dem neuen
«Fribourg Center for Nanomaterials» – dem neuen
Arbeitsort von Hervé Dietsch – weiter optimiert
werden.
Experimenteller Einsatz von «Quantum
Dots»
Bleibt noch die Frage, wie sich die Nanopartikel in den
Polymeren verteilen. Um dies zu beantworten, entwickelten
Wissenschafter der Empa ein experimentelles Verfahren. Sie
benutzten kleine leuchtende Nanokristalle aus Cadmiumselenid. Diese
so genannten «Quantum Dots» – Nanokristalle mit
einer Grösse von zwei bis acht Nanometer –
verknüpften sie mit den grösseren Silika-Nanopartikeln.
Sobald die einzeln fürs Auge nicht sichtbaren, derart
«markierten» Nanopartikel zu grösseren Brocken
verklumpten, waren sie wie eine Art kleine «Supernova»
anzuschauen. So können die Forscher mit dem Lichtmikroskop
erkennen, ob sich die Nanopartikel «monodispersiv»
verhalten, also nicht aneinander haften, oder aber miteinander
verkleben.
Auch bei der normalerweise sehr teuren Herstellung der giftigen
Quantum Dots gingen die Empa-Forscher neue Wege. Sie verwendeten
bei der Produktion weniger schädliches Material und
verzichteten auf gefährlich hohe Temperaturen. «Unsere
Quantum Dots erreichen nicht dieselbe Qualität wie
konventionell hergestellte», gibt Hervé Dietsch zu.
«Aber für unsere Experimente genügen die
Eigenschaften vollkommen». Und das Budget strapazieren die
Quantum Dots «made by Empa» auch nicht sonderlich; sie
kosten pro Gramm lediglich 30 statt etwa 670'000 Franken.
Text: Manuel Martin
Fachliche Ansprechperson
Dr. Beat Keller, Abt. Nanoscale Materials Science, Tel. +41 44
823 46 52,
E-mail
Hervé Dietsch, Université de Fribourg, E-mail:
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