Gordon Edge sprach an der Empa

Wissenschaft als Geschäft

18-nov-2004 | REMIGIUS NIDERÖST
Prof. Gordon Edge, CBE, Gründer und Group Chairman von Generics, der bekannten Unternehmens- und Technologieberatungsgruppe im britischen Cambridge, war kürzlich bei Empa zu Besuch und sprach über seine langjährigen Erfahrungen auf dem Gebiet der wirtschaftlichen Nutzung wissenschaftlicher Innovationen.
/documents/56164/314421/a592-2004-11-18-b1x_edge.jpg/f3b9cdc4-41d7-4a83-b4ae-e3932aa122f5?version=1.0&t=1448308155869
Prof. Gordon Edge
 

Prof. Edges Firma mit dem erklärten Ziel der „Wertschöpfung aus Technologie“ ist international führend auf diesem Gebiet. Aus diesem Grund war es geradezu Musik in den Ohren der Anwesenden, als er anfangs des Vortrags erklärte, dass der grösste Mehrwert im Rahmen der Herstellung innovativer Produkte durch die Materialwissenschaften und -technologie zu erwarten ist.

Als Gründer von Cambridge Consultants und PA Technology, bevor 1986 Generics entstand – und Associate Professor an der Universität von Bath (eine der zahlreichen akademischer Funktionen, die er innehat), gibt es wohl nur wenige, die qualifizierter als Gordon Edge wären, sich zum Thema „Wissenschaft als Geschäft“ zu äussern. Und genau das war das Thema seiner Präsentation beim Empa Academy Afternoon Talk am 27. Oktober.

Keine einfache Sache

Im ersten Teil seiner Präsentation im Theodor Erismann Auditorium machte Gordon Edge seinen Zuhörerinnen und Zuhörern klar, dass die erfolgreiche Kommerzialisierung innovativer Technologien ein komplexer geschäftsbegründender Prozess ist. Es wäre viel zu einfach, anzunehmen, dass man für ein Startup lediglich eine gute Idee und etwas Bargeld bräuchte und dann automatisch profitieren könnte. Startups gibt es in diversen Formen – eine einheitliche Definition lässt sich nicht erstellen. Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, bei der Suche nach der optimalen Form des Startups äusserst flexibel vorzugehen.

Wissen als Schlüsselfaktor

Einfach ausgedrückt geht es beim Thema „Wissenschaft als Geschäft“ darum, ein wissenschaftliches Anliegen in eine Technologie umzuwandeln und diese anschliessend zu vermarkten. Spricht man so über das fundamentale Wesen wirtschaftlich nutzbarer Wissenschaft, muss man sich fragen: Woraus ergeben sich Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit in einem neuen Unternehmen? Welche Faktoren können wachstumshemmend wirken? Gibt es einen optimalen Weg zu akzeptablem Wachstum, und was sind die besten Geschäftsmodelle? Professor Edge sprach dann über ein allgemeines Modell der gewerblichen Nutzung von Technologie, das alle vertikalen Elemente der Umwandlung von Wissenschaft in ein marktfähiges Produkt aufzeigt. Anhand des Modells konnte man klar erkennen, dass selbst grösste Unternehmen vollständig von der zu Grunde liegenden Technologie- und Wissenschaftsbasis und folglich auch von einem qualitativ hochwertigen Bildungssystem abhängig sind. Das Modell zeigt zudem, dass sich Marktchancen sowohl horizontal als auch vertikal ergeben können. Dadurch kann Geistiges Eigentum in den Materialwissenschaften zum Beispiel auch eigenständig für sich kommerziell genutzt werden – Flüssigkristalle, Licht emittierende Polymere und Titandioxid sind alle schon auf diese Weise eingesetzt worden.

Wirtschaftlich nutzbare Wissenschaft?

Idealerweise, so Professor Edge, sollte man bei neu entstehenden Technologien in der Lage sein, eine Plattformtechnologie zu schaffen – also eine Technologie, die sehr verschiedene Märkte ähnlichen technologischen Ursprungs bedienen kann. Ein Beispiel für eine solche Plattformtechnologie ist das Rohmaterial Titandioxid, das auf radikal unterschiedliche Weise genutzt werden kann. Traditionell wurde Titandioxid als Pigment eingesetzt, doch gehören zu den neuen Verfahren auch die vereinfachte Umwandlung von Titandioxid in metallisches Titan (mit enormem Marktpotenzial als Ersatz für Aluminium) und die Nutzung einer hochgradig leitenden Form von Titandioxid, mit der Blei in Blei-/Säurebatterien ersetzt werden kann.

Mehrwert und Innovationskultur

Der Redner wandte sich dann den Themen Innovation in Forschung und Entwicklung sowie Mehrwert zu – ein ganz wichtiger Punkt, da Wettbewerbsvorteile im Markt stets durch den Mehrwert erzielt werden, der sich mit Produkten oder Dienstleistungen erzielen lässt. Eine entscheidende Quelle für Mehrwert ist kreative, innovative und effektive Forschung und Entwicklung, wenngleich auch kulturelle Faktoren eine wichtige Rolle spielen. Glaubt ein Unternehmen daher von der Vorstandsetage abwärts an die Notwendigkeit innovativen Denkens, dann wird Innovation zu einem kulturellen Wert dieses Unternehmens und wird mit grösserer Wahrscheinlichkeit auch wirklich gelebt. Und Innovation ist der Schlüssel zum Erfolg. Die wichtigsten Faktoren der Unternehmenskultur sind Professor Edge zufolge das multi- und interdisziplinäre Arbeiten sowie ein Arbeitsumfeld, das zu innovativem Denken anhält.

Technologiefinanzierung und Wachstum

Im zweiten Teil seiner Präsentation konzentrierte sich Professor Edge auf die Geschäftsentwicklungsmodelle, die bei der Gründung wissenschaftlicher und technologischer Unternehmen zum Einsatz kommen.

In der ersten Phase dieses Prozesses gilt es, genau zu bestimmen, welche neue Technologie kommerzialisiert werden soll. Hier ermutigte Prof. Edge die Forscher, an Konferenzen teilzunehmen, in interdisziplinären Workshops Ideen auszutauschen und verschiedene Labors zu besuchen. Zum Erfolg bedarf es Inspiration, Kreativität und sicher auch einer Portion Glück – ein Prozess, den Edge „nichtrationales Management“ nannte (nicht zu verwechseln mit „irrationalem Management“, wie der Professor schmunzelnd anfügte). Ermöglicht wird all dies durch eine nach aussen orientierte, interdisziplinäre Organisationskultur. Die beste Möglichkeit, einer grossen Menge Forschungsmaterial ein entscheidendes Stück neu entstehender Wissenschaft zu entnehmen, ist der Peer-Review, nachdem das erfolgreiche Projekt die Einstufungsphase erreicht. Dies ist ein überaus wichtiger Abschnitt, bei dem es möglich wird, Arbeiten, die sich u. U. noch im akademischen Stadium befinden, so weiterzuentwickeln, dass sie das Potenzial der Nutzbarkeit erhalten. Genau hier, auf dieser grundwissenschaftlichen oder frühtechnologischen Stufe, werden richtungsweisende Experimente finanziert und Schritte unternommen, um geistiges Eigentum zu schützen. Oft erweist es sich als schwierig, zu diesem Zeitpunkt von traditionellen gewerblichen Investoren finanzielle Unterstützung zu erhalten. Dennoch berichtete Prof. Edge über eine Reihe erfolgreicher Projekte, die auf dieser Stufe des Wachstums von Generics gefördert worden sind. Mit dem Reifen der neuen Technologie schlossen sich weitere Inkubationsstufen an, während denen sich das neue Geschäft allmählich herausbilden konnte – ohne dabei die Vorteile seiner Betreuung in einem multidisziplinären und anspruchsvollen Umfeld einzubüssen. Geht man bei der Gründung eines unabhängigen Startups zu schnell und ohne diesen bewussten Prozess vor, steigt das Risiko von Fehlschlägen. Andererseits ist es auf dieser Stufe auch recht einfach, ein wenig erfolgreiches neues Geschäft einzustellen.

Die nächste Stufe der Entwicklung ist der so genannte „Spin-out“, bei dem eine Gruppe von Mitarbeitern die Muttergesellschaft verlassen und eine neue Firma gründen, an der die Muttergesellschaft beteiligt ist. Für diesen Prozess gibt es auch noch andere Ansätze – zum Beispiel Entwicklungsfirmen, Startups (das konventionelle durch Wagniskapital finanzierte Modell), verschiedene Formen von Gemeinschaftsunternehmen sowie Lizenzierungen (der traditionelle Ansatz für die Nutzung geistigen Eigentums).

Gebührende Sorgfalt

Professor Edge beendete seine Präsentation mit einigen Gedanken zum Due Diligence Prozess. Hier geht es im Grunde darum, entscheidende technologische Problemstellungen anzusprechen, die den Erfolg der Entwicklung massgeblich mitbestimmen. Diese kritischen Bereiche müssen vorab in einem gleichzeitig laufenden technischen Programm untersucht werden. Due diligence ist der Vorläufer und die Grundlage für den detaillierten Investment-Planungsprozess. Bei diesem Prozess werden abgestufte Pläne für das Forschungs- und Entwicklungsprogramm der neuen Firma und für die Entwicklung von Marketing und Verkauf erstellt.

Anschliessend an das Referat lud der Vorsitzende, Dr. Xaver Edelmann, die Hörerinnen und Hörer ein, Fragen zu stellen. Auf die Frage, wie er die Rolle staatlicher Behörden im Prozess der geschäftlichen Entwicklung sehe, erwiderte Professor Edge, dass es am effektivsten sei, wenn die Behörden für ein innovationsförderndes kulturelles Umfeld sorgten, sich aber danach zurückzögen und die Unternehmer ungehindert arbeiten liessen. Ein anderer Teilnehmer wollte wissen, was für einen Wissenschaftler mit einer guten Idee, die kommerziellen Nutzen verspricht, der erste Schritt wäre. Hier riet Gordon Edge zu einer Vorführung bzw. einem Labor-Prototypen, um anderen zeigen zu können, dass die Idee tatsächlich funktioniert – was immer noch die beste Methode sei, um Skeptiker zu überzeugen. Ein anderer Empa-Wissenschaftler, der bereits an diesem Punkt angekommen ist, erkundigte sich, ob er von Generics Geldmittel hierfür erhalten könnte. Professor Edges bejahte dies.

Alles in allem erwies sich die Präsentation von Professor Edge als äusserst interessant, informativ und zum Weiterdenken anregend. Die Empa Mitarbeiter unter den Besuchern, die sich mit dem Gedanken tragen, eine neuartige Technologie zu kommerzialisieren, wurden durch den Vortrag sicherlich ermutigt, ihre persönliche Idee eines Spin-offs noch gezielter zu verfolgen.

Autor: Peter Dias (Übersetzung aus dem Englischen)

 
 
Weitere Dokumente

Homepage: www.generics.co.uk/

Foliensatz Prof. Gordon Edge: For Intranet-Users only: Please login!