1. Tagung des Zentrums für Kulturgüteranalytik

Im Zeichen der Baudenkmäler und Kulturgüter

Dec 8, 2003 | REMIGIUS NIDERÖST
Baudenkmäler und Kulturgüter sind durch Umwelteinflüsse und unangepasstes Raumklima stark gefährdet. Sie können oft nur durch gezielte Massnahmen vor schädlichen biologischen und chemischen Einflüssen bewahrt werden. An der Empa trafen sich deshalb kürzlich Fachleute aus Naturwissenschaft, Denkmalpflege, Restaurierung, Konservierung und Ausbildung zum Erfahrungsaustausch.
/documents/56164/318676/a592-2003-12-08-b1x_falken.jpg/34851bbe-9832-4107-899e-7a1f8f7a08c5?version=1.0&t=1448308782174
Wandmalerei "Falkenjagd"
 
Die an der Empa am 27. November 2003 durchgeführte erste Tagung des Zentrums für Kulturgüteranalytik diente als Plattform für den Austausch und die Begegnung zwischen Fachleuten. Die Vorträge behandelten Themen wie Feuchte und Temperaturschwankungen bei historischen Bauten und Architekturausstattung, als deren Folge auch mikrobieller Befall auftreten kann, deren Verhinderung und Vorbeugung sowie chemisch-analytische Arbeiten als grundlegende Voraussetzung für fundierte Restaurierungsmassnahmen.
 
Seitenschiff einer Kirche, mit starken Verfärbungen an verschiedenen Stellen (Russ, Feuchtigkeit).
  Vielfältige Schäden – vielfältige Sanierungsmethoden
Die Problematik bei sakralen Gebäuden aus der Sicht der Bauphysik beleuchtete der Empa-Bauschadenexperte Roland Büchli. Kirchen und Kapellen stehen nicht durchgehend im Gebrauch wie Wohn- und Geschäftshäuser. Oft werden sie nur ein- oder mehrmals pro Woche für die Gottesdienste aufgeheizt, die wechselnden Klimaverhältnisse bringen Probleme mit sich wie Kondenswasser- und Pilzbildung. Diese setzen dem Verputz und den Kunstwerken im Inneren zu. Büchli zeigte in seinem Vortrag, wie wichtig die Beurteilung der Schäden aus bauphysikalischer Sicht ist, damit sie sich nicht wiederholen.
 
Fachleute des Expert-Centers Lausanne berichteten anschliessend von der erst vor kurzem begonnenen Restauration der Lausanner Kathedrale. Die aus dem 13. Jahrhundert stammende Fassade war im 19. Jahrhundert umfassend renoviert worden. Dabei wurden Materialien gebraucht, die heute zum Teil schon wieder ersetzt werden müssen. Für die Restauratoren zeigt sich die Schwierigkeit, zwischen den baustatischen und den denkmalpflegerischen Anforderungen abzuwägen.
 
Zu hohe Feuchtigkeit fördert mikrobiellen Bewuchs
 Auf die mikrobielle Analytik ging Dr. Paul Raschle von der Empa ein. Sie ist ein Teil der naturwissenschaftlichen Untersuchungen und bietet Hilfe zu nachhaltigen Problemlösungen bei mikrobiellen Schäden und Problemen. Ursache von Pilzwachstum und mikrobiellem Bewuchs ist immer eine zu hohe Feuchte. Diese fördert das Wachstum von Pilzen. So waren auch bei der Klosterkirche Müstair Malereien von Pilz befallen. Es zeigte sich, dass dieser sich von der bei der letzten Renovation aufgetragenen Firnis ernährte und dabei auch die Malereien zerstörte. Da die schädigende Feuchtigkeit nicht aus dem Mauerwerk stammte, sondern aus der Luft, konnte mit einer Entfeuchtung der Raumluft und einem Abtrag der Firnis der Pilzbefall gestoppt werden.
 
Den Zerfall verlangsamen
Das Ableiten von Konservierungsmassnahmen aus dem Verwitterungsgeschehen war Thema von Dr. Christiane Bläuer Böhm vom Expert-Center für Denkmalpflege Zürich. Da sich Verwitterung und Alterung kaum vollständig vermeiden lassen und auch nicht umkehrbar sind, geht es bei den Konservierungsmassnahmen in erster Linie darum, jene Alterungsformen an historischen Bauten, die als Zerfall empfunden werden, möglichst zu verlangsamen. Dabei können entweder die Umgebungsbedingungen oder die Materialeigenschaften entsprechend verändert werden.
 
91kB
Reinigung mit dem Laser
  Laserlicht zur Analytik und Sanierung
Dass Laserstrahlung nicht nur zur Diagnostik von Kulturgütern, sondern auch zum Abtragen von Schichten geeignet ist, wurde schon kurz nach der Erfindung des Lasers in den 60er Jahren entdeckt. Bald darauf konnten Verwitterungskrusten auf Marmor mit Hilfe eines Rubin-Lasers entfernt werden. Mit der Entwicklung von leistungsstärkeren Lasern wurden diese in den 80er Jahren praktikable Werkzeuge für die Reinigung von Kulturgütern.
 
Besonders das berührungslose Wirkprinzip, die gute Dosierbarkeit und die lokale sehr begrenzte
Wechselwirkung mit dem Objekt stellen optimale Bedingungen für eine präzise Reinigung dar. Nicht alle Fälle lassen sich jedoch mit dieser Technik lösen, führte Jens Hildenhagen vom Laserzentrum der Fachhochschule Münster aus. Bei sehr empfindlichen Materialien besteht die Gefahr eines Abtrags der zu erhaltenen Region. Inzwischen steht jedoch eine ganze Palette verschiedener Lasertypen und -systeme zur Verfügung, von denen das am besten geeignete gewählt werden kann.
 
Enzyme zum Abbau von Caseinüberzügen
Durch die Freilegung, Konservierung und Restaurierung historischer Wandmalereien seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurden viele bedeutende Kulturdenkmäler wieder entdeckt. Für ihre Erhaltung wurden teilweise neben den traditionellen Renovationsmaterialien neu entwickelte Produkte eingesetzt, über deren Langzeitverhalten keine Kenntnisse bestanden. Besondere Probleme sind mit der Fixierung von Wandmalereien mit Casein verbunden. Folgeschäden können zum Verlust einer gesamten Malerei führen. Bisher ist es nicht gelungen, Caseinüberzüge ohne erhebliche Beeinträchtigung der Originalsubstanz zu entfernen. Kerstin Klein vom Landesdenkmalamt Hannover berichtete über ein derzeit laufendes Projekt mit Partnern aus Industrie und Wissenschaft. Dabei geht es darum, ein Verfahren zu entwickeln, mit dem Caseinate auf Wandmalereien mittels Enzymen schonend und kontrolliert abgebaut werden. Als Erstes wurde eine zerstörungsfreie Methode entwickelt, Casein an Objekten zu erkennen. Danach galt es, geeignete Enzyme zum Abbau der Caseinate zu finden, was auch gelang. Eine Herausforderung war es auch, die Verschleppung von Mikroorganismen auf den wertvollen Wandmalereien zu verhindern. Ein wichtiger Vorteil der Enzyme ist es, dass diese in Bezug auf Arbeitssicherheit völlig unbedenklich anzuwenden sind, da sie nicht toxisch sind.
 
Analytik ist kein Allheilmittel
Die Empa bietet eine umfassende Analytik an, die im letzten Vortrag der Tagung vorgestellt wurde. Jedes Kunst- und Kulturgut benötigt eine individuelle analytische Bearbeitung, denn die Untersuchungsobjekte sind meist unersetzliche Einzelstücke. Erst die Kenntnis der verwendeten Materialien gestattet ein besseres Verständnis der Zivilisation, die es geschaffen hat. Die unzähligen Möglichkeiten können den Eindruck erwecken, dass sich damit alles lösen lässt. Dr. Axel Ritter von der Empa weiss aber, dass die Interpretation der Ergebnisse ebenso wichtig ist wie die Analyse selbst. Für diesen wichtigen Arbeitsschritt, der sehr zeitaufwändig und schwierig ist, arbeitet die Empa mit Geistes- und Geowissenschaftlern zusammen.
 

In der abschliessenden Diskussion gab es hauptsächlich einige Voten zur Sanierung von Kirchen. Dabei wurde festgestellt, dass die «museale Nutzung» ein stabiles Klima bedingt, um die Kunstwerke zu schützen. Allerdings, so wurde festgestellt, gebe es keine grundsätzliche, allgemein gültige Lösung.

Rémy Nideröst

 

Zentrum für Kulturgüteranalytik
Das Zentrum an der Empa betreut Aufgaben im Bereich Forschung und Erhaltung von Kulturgütern. Es verfügt über Fachleute in den Bereichen: Archäometallurgie, Architekturausstattung von historischen Bauten sowie Gemälde und Malmaterialien. 
Die direkte Zusammenarbeit von Archäologie und Restaurierung/Konservierung mit zahlreichen naturwissenschaftlichen Disziplinen (organische und anorganische Chemie, Bauphysik, Mikrobiologie, Messtechnik, Metallographie) erlaubt es, für zahlreiche, naturwissenschaftliche Fragestellungen zu Kulturgütern innovative Lösungen zu finden. (www.empa.ch/zkga)

Fachliche Ansprechperson:  Marianne Senn

 
 
Weitere Dokumente