4. Nationaler Tochtertag

Vielleicht werde ich Physikerin!

24-nov-2004 | REMIGIUS NIDERÖST
Einen Tag lang erleben, was die Eltern am Arbeitsplatz tun: Von dieser Möglichkeit profitierten zahlreiche Mädchen von Empa-Mitarbeitenden am diesjährigen Tochtertag. Dabei lernten sie nicht nur die Arbeit des eigenen Vaters oder der Mutter kennen. In verschiedenen Abteilungen der Empa konnten sie Experimente miterleben und selber Versuche durchführen.
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«Nanotechnologie? Rasterelektronenmikroskop? Ehrlich gesagt weiss ich nicht, was das ist!» Die zwölfjährige Aline Hobi interessiert sich für Musik und möchte später vielleicht Sängerin werden. Womit sich ihr Vater Tag für Tag beschäftigt, war ihr bis heute unklar. Deshalb hat sie ihn am Tochtertag an seinen Arbeitsplatz in der Abteilung «Füge- und Grenzflächentechnologie» in Dübendorf begleitet. Elektroingenieur Günther Hobi überreicht seiner Tochter gleich zu Arbeitsbeginn einen Bausatz für eine kleine Taschenlampe und einen Lötkolben. Anfangs runzelt Aline die Stirn, aber der Vater erklärt ihr in einfachen Worten, was zu tun ist. Bald steckt Aline eifrig Transistoren und Widerstände in die kleine Platine und hantiert geschickt mit dem Lötkolben.
Drei Stockwerke tiefer, in der Abteilung «Elektronik und Messtechnik», hilft Mahela Hack ihrem Vater  Erwin bei dessen Vorbereitungen für eine kurze Demonstration der Interferometrie. Mahela hat ihren Vater bereits letztes Jahr begleitet und weiss deshalb, dass es sich dabei um Vermessungen mit Laser handelt. «Laser ist ein Lichtstrahl, den man eigentlich nicht sehen kann, der aber nicht gut ist für die Augen. Aber man kann ihn brauchen als Werkzeug», erklärt die Sechstklässlerin selbstbewusst und steckt das Hauptkabel  der Versuchsanlage in den Computer.

«Männerwelt» Empa
Aline und Mahela sind zwei von gut dreissig Mädchen, die Papas oder Mamas Arbeitsplatz kennen lernen wollten. An den Empa-Standorten Dübendorf und St. Gallen durften sie in verschiedenen Abteilungen auch bei Demonstrationen und Experimenten zuschauen. In Dübendorf konnten sie beispielsweise mit dem Rasterelektronenmikroskop eine Biene und ein menschliches Haar in über tausendfacher Vergrösserung bestaunen. Am Morgen waren sie dabei, als bei einem Brandversuch eine feuersichere Tür getestet wurde. Der nationale Tochertag soll aber mehr sein als bloss ein Schnuppertag. Die vom eidgenössischen Gleichstellungsbüro lancierte Initiative möchte eine gemeinsame Auseinandersetzung von Eltern und Töchtern mit der Berufswahl anregen. Mädchen sollen Berufe, aber auch mögliche Positionen in der Hierarchie kennen lernen, in denen Frauen bis heute klar untervertreten sind. Auch die Empa stellt als Institution für Materialwissenschaften und Technologie eine derartige «Männerwelt» dar: Nur knapp ein Viertel der 824 Mitarbeitenden sind weiblich und diese sind weit häufiger im administrativen als im technisch-wissenschaftlichen Bereich beschäftigt. Erst knapp zehn Prozent der Empa-Mitarbeiter arbeitenTeilzeit, bei den Mitarbeiterinnen sind es fast die Hälfte. Zudem ist auch die Direktion der Empa ein reines Männergremium.

Herausforderung für ForscherInnen
Untersuchungen belegen, dass der Vater selten Vorbild ist bei der Berufswahl von Mädchen. Anders bei der zwölfjährigen Mahela Hack: «Ursprünglich wollte ich Lehrerin werden, aber jetzt interessiere ich mich eigentlich fast mehr für Physik.»  Dieser Wandel habe bereits im Empa-Sommercamp stattgefunden. Während der ersten Sommerferienwoche hatte sie zusammen mit 17 anderen Sprösslingen von Empa-Mitarbeitenden verschiedene Forschungsgebiete an den Empa-Standorten Dübendorf und St. Gallen kennen gelernt. Am Tochtertag wollte sie unbedingt wieder dabei sein.
Aline Hobi hat am Abend nicht nur eine kleine Taschenlampe gebaut, sondern auch ein kleines «elektronisches Haustier». Dessen Augen sind lichtempfindliche Detektoren, die bei starkem Lichteinfall leitend werden. Der erzeugte Strom wird von Transistoren verstärkt und bewegt zwei Antriebsräder, die den einfachen Roboter selbständig auf die Lichtquelle zugehen lassen. Aline, auch sie eine Sechstklässlerin, ist begeistert und hat bereits Pläne für weitere Elektronik-Bastelarbeiten. «Ich könnte mir vorstellen, später auch im Beruf etwas mit Elektronik zu machen.» Ihr Vater zieht ebenfalls eine positive Bilanz des Tochtertags. Dieser sei für Forschende eine grosse Herausforderung, betont Günther Hobi. «Plötzlich sind wir gezwungen, in einfachen und anschaulichen Worten zu erklären, was wir eigentlich tun. Eine wertvolle Erfahrung!»

Matthias Kündig

 
 
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