Fachleute fordern mehr Forschung im Baugewerbe

Innovationsschub für die Bauindustrie

27-set-2006 | REMIGIUS NIDERÖST

Die schweizerische Bauwirtschaft gebe zu wenig Geld für Forschung und Entwicklung aus, war der Tenor an einer Fachtagung am 20. September in der Empa-Akademie in Dübendorf. Über 70 VertreterInnen aus der Wirtschaft, von verschiedenen Hochschulen, Forschungsinstitutionen und Bundesämtern machen sich nun gemeinsam daran, Lösungen auszuarbeiten, und riefen dazu die «Swiss Construction Technology Platform» (SCTP) ins Leben.

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Legende: Empa-Departementsleiter Peter Richner betont als Leiter der neu gegründeten «Swiss Construction Technology Platform» die Notwendigkeit von mehr Forschung in der Baubranche. 

Die SCTP, welche als Projekt der schweizerischen «Plattform Zukunft Bau» läuft, soll in den nächsten Jahren Bereiche mit dringendem Forschungsbedarf in der Bauwirtschaft identifizieren. Dass grosser Nachholbedarf besteht, war für die Anwesenden aus Bauwirtschaft, Hochschule, Forschung und Bundesämtern klar. Obwohl die Baubranche zehn Prozent des Schweizer Bruttoinlandprodukts erwirtschaftet, gibt sie lediglich ein Prozent für Forschung und Entwicklung aus – und hinkt damit jedem anderen Wirtschaftssektor hinterher.


Empa mit Vorbildfunktion
Initiator und Leiter der neuen Plattform ist Peter Richner, Leiter des Departements Bau- und Ingenieurwesen an der Empa und Vorstandsmitglied der «Plattform Zukunft Bau». «Wir müssen von der derzeitigen unbefriedigenden Situation einen grossen Schritt vorwärts kommen», fasst er das Ziel der SCTP zusammen. Die Empa spielt aufgrund ihrer zahlreichen bereits bestehenden Forschungspartnerschaften mit der Bauindustrie eine wichtige Rolle in dem neu gebildeten «Think Tank».


Für Hansjürg Leibundgut von der ETH Zürich und Vorstandsmitglied der «Plattform Zukunft Bau», der das SCTP-Kick-Off-Meeting eröffnete, ist der erste Schritt klar: «Am Anfang muss die Einsicht stehen, dass Modernisierungsmöglichkeiten vorhanden sind. Nur dies kann zu Veränderungen im Bausektor führen.» Er zeigte sich überzeugt, dass das Baugewerbe einen grossen Anteil an der Nicht-Nachhaltigkeit der Wirtschaft habe, und brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, dass die Forschung in diesem Bereich dank der SCTP mehr Gewicht in Wirtschaft und Politik erhält.


Schlussendlich soll die SCTP auch in ihr gesamteuropäisches Pendant, die «European Construction Technology Platform» (ECTP), eingebunden werden, welche die gleichen Anliegen auf Ebene der EU vertritt. Die beiden Transferplattformen werden nun zu sieben Schwerpunktthemen konkrete Massnahmen ausarbeiten, nachdem bereits auf europäischer Ebene unter Beteiligung von ExpertenInnen aus der Schweiz eine Vision für die «Bauwirtschaft 2030» formuliert worden ist.

 
Christophe Lesniak von der europäischen Kommission rief die Bauwirtschaft anlässlich der Gründung der «Swiss Construction Technology Platform» zu mehr Innovation und Nachhaltigkeit auf.
 

Nachhaltigkeit durch Innovation
«Die Bauwirtschaft muss vermehrt versuchen, Kundenbedürfnisse zu befriedigen, nachhaltiger zu werden und Innovationen zu fördern», brachte Christophe Lesniak, Mitglied der Europäischen Kommission, die Anliegen der EU auf den Punkt. Der Vertreter des höchsten EU-Gremiums sieht die nationalen Plattformen, die bereits in mehr als 20 Ländern bestehen, als Garanten für den zu erwartenden Erfolg von Forschung und Entwicklung im Baugewerbe.

 

Jesús Rodríguez Santiago, Vorsitzender der ECTP-Supportgruppe, stiess ins gleiche Horn: «Die nationalen Plattformen sind zentral für die Entwicklung von neuen Ideen und deren Umsetzung.» Er wies aber auch darauf hin, dass Erfolg nur durch eine gute Zusammenarbeit sowohl zwischen den einzelnen nationalen Plattformen als auch mit der EU-Kommission möglich sei.


In Workshops zu den sieben Fachbereichen, den so genannten «Focus Areas», identifizierten Fachleute Themen, die für die schweizerische Bauindustrie von Relevanz sind. So eruierte etwa der Fachbereich «Cities and Buildings» Forschungsbedarf in der Frage, wie die Quartierversorgung mit erneuerbaren Energien gestaltet werden könnte. Die Gruppe «Networks» will Wege finden, um beim Verlegen von Leitungen nicht die ganze Strasse aufreissen zu müssen; das Prinzip nennt sich «minimal invasiv» und ist in der Medizin bereits weit verbreitet. Und im Bereich «Underground Construction» soll herausgefunden werden, wie mehr Infrastruktur unter den Boden gebracht werden kann, um über der Erde wieder mehr Freiräume zu schaffen. Auch die Fachbereiche «Quality of Life», «Materials», «Cultural Heritage» und «Processes and ICTs» erkannten Ansatzpunkte für viel versprechende anwendungsorientierte Forschungsprojekte. Das Ziel ist, durch die ausgearbeiteten Vorschläge möglichst viele Forschungskooperationen anzuregen und so der Schweizer Bauindustrie und dem Forschungsplatz Schweiz gleichermassen neue Impulse zu verleihen.


Das positive Feedback von allen Seiten sei äusserst motivierend, zog der Leiter der SCTP, Peter Richner, in seinem Schlusswort erfreut Bilanz. Er sieht die Plattform als Katalysator für Forschung und Entwicklung in der Bauindustrie. «Wir müssen möglichst bald über das Diskutieren hinaus zu konkreten Projekten gelangen.» Er hoffe, dass Baufirmen, vor allem auch KMUs, in Zukunft mehr in Forschung investierten und Forschungseinrichtungen vermehrt Partnerschaften mit der Bauindustrie eingingen.

Autor: Lukas Herzog


Weitere Informationen zur Veranstaltung: www.zukunftbau.ch

Fachliche Auskünfte
Dr. Peter Richner, Plattform Zukunft Bau / Leiter Departement Bau- und Ingenieurwesen,
Tel. 044 823 41 40,