Neue Behandlungsmethode bei einer Blutvergiftung – Bakterien aus dem Blut «ziehen»

Schwere Blutvergiftungen enden auch heutzutage noch in einem Drittel der Fälle tödlich, lassen sich aber im Anfangsstadium durchaus erfolgreich behandeln. Daher ist schnelles Handeln oberstes Gebot. Ärzte verabreichen daher meist schon beim Verdacht auf Blutvergiftung Antibiotika, ohne vorher abzuklären, ob es sich tatsächlich um eine bakterielle Sepsis handelt. Durch den unsachgemässen Einsatz von Antibiotika bilden sich jedoch zunehmend Resistenzen bei zahlreichen Krankheitserregern aus – mit gefährlichen Folgen für das gesamte Gesundheitssystem. Es gilt also, eine schnelle und effektive Therapie zu finden, möglichst ohne auf Antibiotika zurückgreifen zu müssen.

Auf dem Weg zu einer Lösung dieses drängenden Problems ist die Empa-Forscherin Inge Herrmann mit ihrem Team in Zusammenarbeit mit Kollegen vom Adolphe Merkle Institut in Fribourg und Medizinern der Harvard Medical School. Die Idee: eine magnetische Blutreinigung. Das Prinzip ist ebenso einfach wie elegant: Eisenpartikel werden mit einem Antikörper beschichtet, der die schädlichen Bakterien im Blut aufspürt und bindet. Sobald sich die Eisenpartikel an die Bakterien angelagert haben, lassen sie sich magnetisch aus dem Blut entfernen.

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Bakterien können mit magnetischer Blutreinigung entfernt werden (links). Eine Lösung mit magnetischen Eisenpartikeln (oben rechts), kann mit einem Magneten "gereinigt" werden (unten rechts). Bild: Empa

Einen kleinen Haken hat die Sache allerdings derzeit noch: Bislang war es lediglich möglich, die Eisenpartikel mit Antikörpern zu beschichten, die eine einzige Art von Bakterien erkennen konnten – und je nach Art der Blutvergiftung sind verschiedene Erreger im Spiel. Mittels Bluttests müssten Ärzte daher erst ermitteln, welche Keime die Vergiftung verursachen, ehe die passenden Antikörper eingesetzt werden können. «Diese Blutanalyse ist zeitintensiv, und bei einer Blutvergiftung spielt Zeit eine lebenswichtige Rolle», erklärt Inge Herrmann. Dies ist auch ein Grund, warum eine derartige magnetische Dialyse bislang kaum zum Einsatz kommen konnte.

Neuen Auftrieb enthält die magnetische Blutreinigung durch einen kürzlich entwickelten «Alleskönner»-Antikörper. Dieser bindet an sämtliche Bakterien, die eine Blutvergiftung auslösen können. Somit könnte bei Verdacht auf Sepsis direkt mit der Magnet-Therapie begonnen werden, unabhängig davon, welche Erreger sich im Blut befinden. Mit diesem «Alleskönner»-Antikörper ist es Hermanns Team nun tatsächlich gelungen, Bakterien zu isolieren – ähnlich wie bei einer Dialyse.

Noch ist die Methode lediglich unter Laborbedingungen ausgereift und kann noch nicht bei Patienten eingesetzt werden. Nicht zu unterschätzen ist beispielsweise die Beschaffenheit der Eisenpartikel. Es kann sein, dass bei der magnetischen Extraktion einige Partikel im Blut zurückbleiben. Die Anforderungen an diese Metallkügelchen sind also klar: Sie dürfen dem menschlichen Körper keinen Schaden zufügen. Doch auch hierfür hat Herrmanns Team bereits eine Lösung parat. Die winzigen Eisenpartikel werden zu grösseren Clustern zusammengefügt und sprechen so besser auf den Magneten an. Ausserdem konnten die Forschenden in einer In-vitro-Simulation zeigen, dass die Eisenpartikel nach nur fünf Tagen komplett abgebaut werden.

In Zukunft sollte es also nicht mehr zwingend notwendig sein, bei einem Verdacht auf Sepsis ungezielt Antibiotika zu verabreichen. Dem Patienten wird stattdessen Blut zur Diagnose entnommen, und während die Untersuchung auf mögliche Erreger läuft, ist der Patient schon längst an ein Dialysegerät angeschlossen, damit in der kostbaren Zeit bereits das Blut zu gereinigt wird – egal, welche Bakterien darin ihr Unwesen treiben. Sobald die Ärzte über die detaillierten Blutwerte verfügen, kann dann, falls nötig, eine auf den Erreger zugeschnittene Antibiotika-Therapie angehängt werden.

Momentan ist diese Idee allerdings Zukunftsmusik, denn einige Schritte der Behandlung müssen noch weiter ausgearbeitet werden. So ist es beispielsweise zwingend, dass diese Methode im Anfangsstadium einer Sepsis angewendet wird, wenn die Keime und ihre giftigen Produkte noch nicht vom Blut auf Organe oder Körperfunktionen übergegriffen haben. Unklar ist derzeit ebenfalls, wie gut diese Behandlung bei instabilen oder vorerkrankten Patienten anschlägt. Dennoch sind Herrmann und ihr Team optimistisch – und einer neuen und schonenderen Sepsis-Therapie einen Schritt näher.

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«Unsere enge Zusammenarbeit mit Klinikern ist enorm wichtig. Dieser Austausch ermöglicht es, dass die neuentwickelten Technologien in Zukunft auch wirklich in der Klinik ankommen.»

Dr. Inge Katrin Herrmann

 



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