Mit Pilzen zum perfekten Geigenklang

Italienische Meistergeigen wie eine Stradivari oder eine Guarneri aus dem 17. und 18. Jahrhundert verzaubern Musikkenner weltweit mit ihrem einzigartigen Klang. Noch immer ist es ein Geheimnis, warum gerade diese Instrumente so besonders klingen. Verwendeten die grossen Geigenbaumeister einen speziellen Lack, setzten sie zur Holzbehandlung Mineralien ein oder waren es gar Mikroben, die dem Holz seine besonderen Klangeigenschaften verliehen?

Die Klimaerwärmung sei ein Grund, meint Francis Schwarze aus der Empa-Abteilung «Cellulose and Wood Materials». «Heutzutage wachsen Bäume schneller und ungleichmässiger als zu einer ganz bestimmten Periode im 17. Jahrhundert, als das Holz für Stradivaris Instrumente wuchs», so der Holzforscher. Während des so genannten Maunder-Minimums, einer aussergewöhnlichen Kälteperiode von 1645 bis 1715, liessen lange Winter und kühle Sommer die Bäume langsam und gleichmässig wachsen. Heutiges Holz verfüge über weniger günstige Eigenschaften für den Geigenbau. Schwarze suchte daher nach einer Möglichkeit, Holz so zu verändern, dass es dem antiken Baustoff gleicht.

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«In meiner Forschung setze ich Schädlinge als Nützlingen ein, um ein Mehrwert für einheimisches Holz zu schaffen. Für die Nutzung der Pilze ist deren Vielfalt entscheidend. Darum ist es wichtig das verkannte Potential von Pilzen für Menschen aufzuzeigen und sich aktiv um den Schutz der Biodiversität zu kümmern.»

Prof. Dr. Francis W. M. R. Schwarze, Gruppenleiter bio-engineered Wood

Dafür hat Empa-Forscher Schwarze erstaunliche Helfer rekrutiert: Holz zersetzende Pilze. Die Pilze treiben ihre Fäden tief ins Holz und nagen die Zellwände an ganz bestimmten Stellen an. So verringern sie die Holzdichte, was deutlich bessere Klangeigenschaften garantiert.

Das Geheimnis liegt jedoch darin, diejenige Pilzart zu finden, die zwar die Dichte des befallenen Holzes vermindert, nicht aber die Ausbreitung von Schallwellen behindert oder die feste Holzstruktur zerstört. Mit einem solchen Pilz liesse sich gezielt hochwertiges Holz – ähnlich dem der Stradivari-Geigen – herstellen. Über Monate züchtete Schwarze deswegen verschiedene Pilzarten, infizierten damit kleine, sterilisierte Holzbrettchen und lagerten die pilzbehandelten Proben in Klimakammern unter kontrollierten, feuchtwarmen Bedingungen. Die Pilze wucherten, bizarre Fruchtkörper wuchsen auf der Oberfläche der Proben und Pilzfäden durchdrangen das Holzinnere. Einige Brettchen wurden nach vier Wochen, andere nach acht oder zwölf Wochen aus den Klimakammern geholt, von Pilzresten befreit und gründlich analysiert; Gewichtsverlust, Schallgeschwindigkeit, Biegesteifigkeit, Eigenfrequenzen und andere physikalische Materialeigenschaften wurden vermessen.

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Geeigneter Pilz gefunden

Die Suche nach dem Meisterpilz war erfolgreich. Die wissenschaftlichen Untersuchungen zeigen: Mehrere der ausgewählten holzzersetzenden Pilzarten verbessern die Klangqualität der Holzproben deutlich. Erstmals lässt sich dieselbe Holzqualität erreichen wie in Stradivaris Werkstatt, wie akustische Messungen der Empa ergaben.

Ermöglicht wurde das komplexe Projekt durch Walter Fischli, Mitbegründer des biopharmazeutisches Unternehmen Actelion, dessen Stiftung die Entwicklung finanziert hat.



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Sinfonia ai funghi

Klingen Geigen aus pilzbehandeltem Holz so wie ein antikes Meisterinstrument? Akustikforscher der Empa untersuchen derzeit Instrumente aus so genanntem Mycowood auf Herz und Nieren. Präzise Körperschallmessungen und psychoakustische Experimente mit Versuchspersonen sollen zeigen, ob eine Pilzkur ein Instrument messbar veredeln kann. Ermöglicht wird dies durch Walter Fischli, dessen Stiftung als Geldgeber für das Projekt wirkt. Mehr.