42. Wissenschaftsapéro zur Elektromobilität in der Schweiz

Mein Roller fährt mit Strom!

Oct 4, 2009 | MARTINA PETER
E-Scooter-Testtag auf dem Gelände der Empa in St. Gallen mit diversen Vorträgen zur Zukunft der Mobilität und anschliessendem Empa-Wissenschaftsapéro: Am 23. September stand der Empa-Standort in St. Gallen ganz im Zeichen der Elektromobilität. Eingeladen dazu hatten die Energiestadt St. Gallen zusammen mit der Empa und NewRide, einer Initiative, die die Markteinführung von Elektro-Zweirädern in der Deutsch- und Westschweiz unterstützt.
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Legende: Unterwegs in eine saubere Zukunft: E-Scooter sind leise und umweltfreundlich. (Bildquelle: newride)


Der St. Galler Stadtrat Fredy Brunner zeigte sich bei der Begrüssung zum Wissenschaftsapéro sehr erfreut über den E-Scooter-Testtag und das grosse Interesse der Bevölkerung an Elektrofahrzeugen. Mit vereinten Kräften, so Brunner, sei die 2000-Watt-Gesellschaft bis ins Jahr 2050 möglich.

 

Abwägen der verschiedenen Systeme
Mobilität aus Umweltsicht war auch das Thema von Empa-Wissenschaftler Marcel Gauch. Ein Umdenken und das entsprechende Handeln sind für ihn nicht nur aus Umweltaspekten – Stichwort CO2-Ausstoss – notwendig, sondern auch wegen des steten Anstiegs des Erdölpreises und der Endlichkeit der Vorräte. Um die Weichen richtig zu stellen, müssen die diversen Antriebssysteme und Treibstoffe miteinander verglichen werden. Das optimale Instrument dazu ist die Ökobilanz. Sie fasst den gesamten Energiebedarf von der Produktion bis zum Recycling eines Fahrzeugs in einer einzigen Zahl zusammen. Zusammen mit den Energiekosten pro gefahrenen Kilometer gibt dies einen guten Anhaltspunkt über den Energiehunger eines Fahrzeugs. Riesige Datenbanken liefern die für die Ökobilanzierung benötigten Zahlen und machen so eine Bewertung möglich. Gauch legte dar, dass mit Solarzellen auf derselben Fläche ein Vielfaches an Energie gewonnen werden kann verglichen mit der Verarbeitung von Pflanzen zu Biotreibstoff.

 

 
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Ein Aussteller erklärt vor der Probefahrt die Spezialitäten des Elektrorollers «Vectrix». So kann während der Fahrt beispielsweise mit dem Motor gebremst werden, wobei Energie «rekuperiert», also zurückgewonnen wird. Ideal zum Einparken: Der Roller fährt auch rückwärts.

 

 

Grosse Chancen sieht Gauch, wenn statt Verbrennungsmotoren – die für 20 Prozent Antriebsleistung 80 Prozent ungenutzte Wärme erzeugen – Elektroantriebe eingesetzt würden. Diese wandeln die Energie zu 80 Prozent in Antriebsleistung und nur zu 20 Prozent in Wärme um. Zudem liegen die Betriebskosten eines Elektrofahrzeugs weit unter den Kosten eines Fahrzeugs mit Verbrennungsmotor. Im Moment sind die Batterien allerdings noch ein grosser Kostenfaktor; nach besseren Lösungen wird geforscht. Auf dem Weg vom fossilen ins postfossile Zeitalter besteht gemäss Gauch die wohl umweltfreundlichste Variante darin, ein bestehendes Auto weitere zwei Jahre zu fahren und dann auf ein Auto mit tiefem Energieverbrauch und günstigen Betriebskosten umzusteigen.

 
Elektroantrieb – nicht nur für kleine Hüpfer
Miriam Schmitt von der Firma Protoscar in Rovio (TI) präsentierte anschliessend das Forschungsfahrzeug «Lampo». Ein modernes Fahrzeug, das Fahrspass zulässt und beweist, dass Elektroantriebe sich nicht nur für kleine Stadtautos eignen. Auch Schmitt sieht im Elektromotor den Antrieb der Zukunft. «Fahrer eines Elektromobils müssen aber mitdenken», so Schmitt. Wer etwa in der Höhe wohnt, sollte die Batterie des Autos nur zu 80 Prozent aufladen. Der Rest wird dann beim Bergabfahren durch das Bremsen mit dem Motor erzeugt, dem so genannten Rekuperieren. So ist die Batterie im Tal voll geladen, die Reichweite also maximal. Und damit eine leere Batterie keinen Stillstand verursacht, wird ihr Ladezustand anhand der aktuellen topografischen Gegebenheiten und der Fahrgeschwindigkeit direkt in die Reichweite umgerechnet. So lässt sich ersehen, ob eine Pause an einer Ladestation benötigt wird.
 

 
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Elektroantriebe gibt es schon seit den Anfängen des Automobils. Hier ein vom Franzosen Alfred Dinin gebautes Exemplar aus dem Jahr 1904, das am Empa-Wissenschaftsapéro für Staunen sorgte. Im Bild Empa-Direktionsmitglied Dr. Xaver Edelmann (am Steuer) mit dem St. Galler Stadtrat Fredy Brunner.

 

 

Stromtankstellen in Planung
«Öl in Strom umzuwandeln, ist viel effizienter, als es in Motoren zu verbrennen», so Urs Rengel von den Elektrizitätswerken des Kantons Zürich. Er fährt seit rund einem Jahr einen umgebauten «Twingo» mit Elektroantrieb. «Mit einem Elektroauto muss man sich keine Gedanken machen, spät nach Hause zu kommen oder früh weg zu müssen, die Nachbarn hören das gar nicht». An stark befahrenen Strassen könnten die Anwohner bei offenem Fenster schlafen, wenn nur noch Elektromobile unterwegs wären; zudem würden die Hauswände nicht mehr so verschmutzt.

Bis Elektrolaster unser Strassenbild prägen, wird allerdings noch einige Zeit vergehen. Im Fernverkehr oder auch bei Flugzeugen sind Elektromotoren wegen der schweren Batterien heute noch undenkbar. Ein Kleinwagen aber kann an jeder Steckdose aufgeladen werden. Wer einmal ans Einstecken in die Ladedose gewöhnt ist, hat immer einen vollen «Tank». Geplant ist ausserdem, ein Netz von Schnellladestationen aufzubauen. An ihnen lässt sich die Batterie statt in rund vier Stunden in nur 20 Minuten aufladen.

 
 


 

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