«Je mehr smarte Leute hier arbeiten, umso besser für die Schweiz»

Dem Empa-Glaspalast im St. Galler Westen sind seine 20 Jahre kaum anzusehen – der vom Zürcher Architekten Theo Hotz entworfene Bau mutet auch heute noch zeitgemäss an. Doch die Welt hat sich in den letzten 20 Jahren verändert und die Empa mit ihr. Eine Standortbestimmung mit Empa-Direktor Gian-Luca Bona.
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Herr Bona, die Empa ist seit 135 Jahren im «Business». Ist sie fit für die Herausforderungen der Zukunft?
Gian-Luca Bona: Davon bin ich überzeugt. Auf der einen Seite haben wir in den letzten Jahren unsere Forschungsaktivitäten thematisch fokussiert und kontinuierlich verstärkt. Andererseits – und parallel dazu – haben wir den Technologietransfer, also die enge Zusammenarbeit mit unseren Industriepartnern, ausgebaut und intensiviert. Diese zwei starken Pfeiler sind essenziell für unsere Aufgabe, auf Basis exzellenter Forschung Innovationen für unsere Partner anzustossen.

Und wie gelingt dies?
Bona: Dabei bauen wir selbstverständlich auf unsere Stärken. Dies bedeutet für die Forschung in St. Gallen, dass wir uns, gestützt auf unser breites Knowhow im Bereich Textilien und deren Wechselwirkung mit der menschlichen Haut, in zahlreiche neue Gebiete vorgearbeitet haben. Etwa neue Anwendungen für High- Tech-Fasern, die elektrische und optische Signale leiten, aber auch als Membranen fungieren oder sogar dosiert Medikamente abgeben können.

Sie haben das Stichwort bereits genannt: Alle reden von Innovation – welche Rolle spielt die Empa im Innovationsprozess?
Bona: Unser erklärtes Ziel ist es, Innovationen anzustossen – also neue Anwendungen und Lösungen, für die Kunden zu zahlen bereit sind. Das widerspiegelt sich auch in unserem Slogan: ‹Empa – The Place where Innovation Starts›. Wir sehen uns als eine Art Innovationskatalysator für die Schweizer Wirtschaft. Dabei arbeiten wir frühzeitig und eng mit unseren Partnern zusammen. Zurzeit sind dies mehr als 300 Firmen aus der ganzen Schweiz.

Wie kann die Empa dem Innovationsstandort Ostschweiz helfen? Stichwort Nationaler Innovationspark, bei dem die Region leer ausging.
Bona: Neben bestehenden Firmen, mit denen wir in gemeinsamen Projekten neue Anwendungen entwickeln, ist die direkte Unterstützung von Jungunternehmen – Start-ups und Spin-offs – für uns ein wichtiger Weg, um neue Erkenntnisse aus unserer Forschung in den Markt zu tragen. Dies erfolgt in St. Gallen über den vor kurzem eröffneten Startfeld- Innovationspark in direkter Nachbarschaft. Den gilt es nun, zum Fliegen zu bringen. Und in enger Zusammenarbeit mit weiteren Akteuren der Ostschweizer Forschungs- und Innovationsszene – Universität, Fachhochschule, Kantonsspital und kantonale Stellen – arbeiten wir daran, die Vernetzung der Region mit dem Schweizer Innovationspark sicherzustellen.

Wie muss sich die Schweiz aufstellen, um für den zunehmend härteren internationalen Wettbewerb gewappnet zu sein?
Bona: Ich denke, wir sind da generell gut positioniert, und zwar durch unsere Kultur des gegenseitigen Respekts und offenen Austauschs. Neue Konzepte und Ideen entstehen heute vor allem an den Grenzen der klassischen Wissenschaftsdisziplinen. Um erfolgreich zu sein, müssen wir die gesamte Wertschöpfungskette im Auge behalten, von der Grundlagenforschung über technologische Entwicklungen bis hin zu erfolgreichen Markteinführung – inklusive neuer Businessmodelle und deren möglicherweise unkonventioneller
Finanzierung.

Wissenschaft und Forschung sind heutzutage inter- und transnationale Aktivitäten. Wie wollen Sie angesichts der überall zu beobachtenden Abschottungstendenzen verhindern, dass die Wissenschaft unter die Räder kommt?
Bona: Gute WissenschafterInnen und Ingenieure, aber auch erstklassige Fachkräfte sind heute sehr mobil. An der Empa arbeiten beispielsweise Menschen aus über 50 Ländern. Unsere Doktoranden und GastwissenschafterInnen leisten hervorragende Arbeit. Hier in St. Gallen hat etwa vor kurzem ein spanischer Forscher einen der prestigeträchtigen ERC-Grants von der EU erhalten, mit dem er seine Forschung weiter vorantreiben kann. Oft münden diese Resultate später in neue Produkte für unsere Industriepartner. Das hier erarbeitete Wissen schafft also einen volkswirtschaftlichen Mehrwert. Und je mehr smarte Leute hier arbeiten, umso besser für den Denk- und Werkplatz Schweiz. Das müssen wir einfach viel deutlicher kommunizieren.

Das Interview führte Michael Hagmann.