Visions of the Information Society

Mehr Lebensqualität – aber nicht auf Kosten der Umwelt

27 janv. 2006 | MARTINA PETER
Zum Abschluss des vierjährigen Forschungsprogramms zur Nachhaltigkeit in der Informationsgesellschaft («Sustainability in the Information Society» [SIS]) lud die Empa Anfang November zu einer zweitägigen Konferenz nach St. Gallen ein. Zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, Industrie und Politik diskutierten angeregt, wie den Bedürfnissen unserer Gesellschaft Rechnung getragen werden kann, ohne die Entwicklungsmöglichkeiten kommender Generationen einzuschränken. Sie waren sich einig: «The best way to predict the future is to create it».
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Nachhaltig zu leben bedeutet für die gegenwärtige Gesellschaft, sorgfältig mit den Energievorräten umzugehen. So sorgfältig, damit auch künftige Generationen noch auf sie zurückgreifen können. Wie lässt sich das umsetzen, ohne dass wir auf die Annehmlichkeiten unseres Lebensstandards verzichten müssen? Wie kann verhindert werden, dass ökonomisches Wachstum unvermeidlich Umweltschäden nach sich zieht? Erst langsam beginnen wir zu erkennen, wie komplex die Zusammenhänge von ökologischen, ökonomischen, sozialen und technologischen Themen in der globalisierten Welt sind.
 

Prognosen sind schwierig

Visionen für die Informationsgesellschaft sind gefragt, auch wenn es schwierig ist, Prognosen nur schon für die nächsten Jahre anzustellen. In den 60er-Jahren glaubte man an den angeblich unmittelbar bevorstehenden Durchbruch von Geräten, die gesprochene Sprache erkennen und in eine andere Sprache übersetzen. «Noch heute warten wir auf solche Wundermaschinen, welche die Völkerverständigung fördern und Kriegen die Grundlage entziehen», meint Prof. Friedemann Mattern von der ETH Zürich. Auf der anderen Seite konnte sich vor zehn Jahren niemand vorstellen, dass E-commerce, Ebay  Google, Blogs, SMS, Spielkonsolen, Auto-Navigationssysteme und Fotohandys heute nicht mehr aus unserem Leben wegzudenken sind.

Der Einsatz von wie Handys, PCs & Co. macht uns das Leben zweifellos leichter. Doch sie sind schuld an unserem hohen Energieverbrauch. «Wir konsumieren an einem einzigen Tag so viel Erdöl, Erdgas und Kohle, wie die Natur in 1500 Jahren erschaffen hat», meint dazu der Japaner Tachi Kiuchi, der Firmen hinsichtlich Nachhaltigkeit berät. Er propagiert die vermehrte Nutzung von Sonnenenergie – einer Energie, von welcher alle profitieren können.

 

Gut gemeinte Absichten schlagen um ins Gegenteil

Energiesparen ist gar nicht so einfach: Überall, wo Informations- und Kommunikationstechnologien eingesetzt werden, lauert auch der so genannte Rebound-Effekt. Ideen, die ursprünglich darauf angelegt waren, Ressourcen zu sparen, schlagen in der Ausführung ins Gegenteil um. Die Idee zum papierlosen Büro ist ein Beispiel dafür: Seit der PC die Schreibmaschine abgelöst hat, ist der Papierverbrauch deutlich gestiegen.

Empa-Gastgeber Prof. Lorenz Hilty weiss von mannigfachen Rebound-Effekten zu berichten. Er hat in einem der zwölf Empa-Projekte des SIS-Programms mit seinem Team untersucht, wie sich Hoffnungen, beispielsweise auf rascheres Arbeiten dank schnelleren Computern, zerschlagen können. Seine Studie zeigt, dass leistungsfähigere Hardware nicht zwingend zu einer schnelleren Erledigung der Aufgaben führt; in einigen Fällen sich sogar der umgekehrte Effekt zeigt. Beim Umgang mit Files ist teilweise eine Verlangsamung zu erkennen. Ist es also im Bezug auf effizientes Arbeiten immer nötig, die Hardware aufzurüsten? Sollten wir, wie Tachi Kiuchi es formulierte, nicht immer wieder fragen: «Wohin wollen wir uns eigentlich bewegen?» und «Wissen wir, wann es genug ist»?

Eine systematische Technologiefolgen-Abschätzung kann mögliche unerwünschte Effekte von neuen Technologien oft im Voraus aufzeigen und zur Diskussion stellen. Entsprechende Studien hat die Empa für die Vision des «Pervasive Computing» (das Vordringen unsichtbarer, vernetzter Computerchips in Alltagsgegenstände) durchgeführt.

 

Über dem Forschen das Handeln für die Zukunft nicht vergessen

«Sendet klare Signale an die Entscheidungsträger!» forderte Dennis Pamlin vom WWF Schweden die anwesenden Forscherinnen und Forscher auf. Und zeigte gleich, welche Wege die Tierschutzorganisation im Kampf gegen den globalen Klimawandel geht. In einer unkonventionellen Zusammenarbeit mit dem Verband europäischer Telefonnetzbetreiber ETNO haben die geübten Lobbyisten einige wenige Lösungen ausgewählt, wie sich mit Informations- und Kommunikationstechnologien CO2-Emissionen verringern lassen. Eine der Botschaften, die an PolitikerInnen vermittelt werden könnte, lautet: «Ersetzt Langstrecken-Geschäftsreisen durch virtuelle Konferenzen!» Würden die ETNO-Firmen, so hat die Studie von WWF und ETNO gezeigt, 20% ihrer Langstrecken-Geschäftsreisen als virtuelle Konferenzen ansetzen, verhinderten sie z.B. jährlich 22,35 Mio Tonnen CO2-Emissionen.

Solche einfachen, aber starken und umsetzbaren Ansätze sind gefragt. Sie helfen mit, unsere Gegenwart so zu gestalten, dass nicht nur dereinst unsere Nachkommen, sondern alle Menschen das Potenzial für dauerhaften Fortschritt und Verbesserung der Lebensqualität voll ausschöpfen können. Getreu nach der Aussage: «Am besten lässt sich die Zukunft voraussagen, wenn wir sie selber gestalten.»

 

Autorin:
Martina Peter, Abteilung Kommunikation/Marketing,

Fachliche Auskünfte:
Prof. Dr. Lorenz Hilty, Chairman der Konferenz, Leiter Abt. Technologie und Gesellschaft, Tel. +41 71 274 73 45,