17. Wissenschaftsapéro

Auf den Zahn gefühlt – Materialforschung an dentalenImplantaten

May 6, 2004 | CORNELIA ZOGGALL
In der Zahnmedizin setzen sich Implantate gegenüber der herausnehmbaren Prothese immer mehr als Standardbehandlung durch. Am 17. Wissenschaftsapéro der Empa präsentierten drei Referenten ihre Erfahrungen aus der Forschung und Praxis in diesem zahnmedizinischen Trend.
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Am Wissenschaftsapéro berichtete der Zürcher Uniprofessor Dr. med. dent. Christoph Hämmerle als erster von drei Referenten über die Verwendung von Implantaten in der zahnärztlichen Praxis.
 
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In der Region des ersten Stockzahnes im Oberkiefer wurde ein Implantat gesetzt und ein Aufbau festgeschraubt. (Bild: Universität Zürich, Klinik für Kronen- und Brückenprothetik)
  Der perfekte Zahn
Implantate sind eine Revolution in der zahnmedizinischen Versorgung. Dank ihnen ist es möglich, verlorene Zähne komplett durch Fremdmaterialien zu ersetzen. Von einem natürlichen Zahn lässt sich der künstliche optisch nicht unterscheiden und auch die Funktionstüchtigkeit ist voll gegeben. Nach zehn Jahren sind bis zu 95% Implantate noch funktionstüchtig im Munde der PatientInnen. Allerdings spielen dabei die Lebensgewohnheiten der PatientInnen ein grosse Rolle. Nikotin-, Alkohol- oder Drogenmissbrauch können die Erfolgsquote dramatisch verringern.
 
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Eine Krone, innen bestehend aus Gold und aussen aus Porzellan, wurde mit Zement definitiv auf dem Implantat befestigt. Sowohl das Implantat als auch die Krone gliedernsich sehr schön in die natürliche Bezahnung ein.
  Implantate stellen künstliche Wurzeln dar. Sie bestehen heute aus Titan und werden in den Kieferknochen eingebracht. Innerhalb weniger Wochen wachsen sie in den Knochen ein. Das umliegende Weichgewebe umschliesst die künstliche Wurzel.
Die Krone, der sichtbare Teil des Zahnersatzes, ist aus Keramik gefertigt und wird auf die implantierte Zahnwurzel aufgeschraubt. Es braucht einiges an Erfahrung und Fingerspitzengefühl, um sie so zu modellieren, dass das dunkle Titan nicht durch die Keramik hindurch schimmert und so das Erscheinungsbild beeinträchtigt.
 
Implantate aus Keramik
Mit einer keramischen Zahnwurzel bestünde dieses ästhetische Problem nicht. Dies ist aber nicht der einzige Grund, weshalb seit langem das Interesse besteht, nichtmetallische Werkstoffe für die Zahnwurzel zu verwenden. Ein Teil der PatientInnen reagiert nämlich auf metallische Werkstoffe im Mund sehr empfindlich. Der zweite Referent ist deshalb zuversichtlich, dass Keramik eine Alternative zum Titan als Implantatwerkstoff sein kann. Dr. Wolfram Weber von der Metoxit AG in Thayngen stellte dem Publikum die Forschungsergebnisse von neuen Keramikwerkstoffen vor. Das 1985 in die Orthopädie eingeführte Zirkonoxid (ZrO2) ebnete den Weg für Anwendungen im Dentalbereich, da seine Festigkeit mit 1200 MPa diejenige des Titans sogar noch übertrifft. Während die Biokompatibilität (Körperverträglichkeit) des keramischen Materials ausser Frage steht, ist ebenfalls das Anwachsen des Implantates an den Kieferknochen ausschlaggebend für den klinischen Erfolg. Um dies zu optimieren, sind die Oberflächeneigenschaften und das Einwachsverhalten der keramischen Implantate Gegenstand aktueller Forschung.
 
Interaktion von Zellen und Material
Auf diese Forschung ging im abschliessenden Vortrag Dr. Arie Bruinink vom MaTisMEd-Team der Empa ein. Für das Anwachsen des Knochens spielt die Interaktion zwischen Zellen und Material eine entscheidende Rolle. Die Oberflächenbeschaffenheit des Implantates, d.h. seine Oberflächenstruktur und -chemie, sowie die Substanzen, die es freisetzt, bestimmen die Zellreaktionen. Daneben beeinflusst auch die mechanische Belastung die Funktionalität der Zellen. Um ein besseres Bild von der Material-Zell-Interaktion zu gewinnen, wird mit Zellkulturen erforscht, auf welche Umgebung welche Zellen mit welcher Antwort reagieren.
 
Für die Langzeitbeobachtung wird an der Empa ein konfokales Laser-Scanning-Mikroskop eingesetzt. Bilder, die nach bestimmten Zeiteinheiten (z.B. 15 Minuten) von verschiedenen Fokusebenen des Präparats aufgenommen wurden, werden zu einem Film zusammengesetzt. Diese Methode erlaubt es, Aufenthaltsort und Migration einzelner Zellen und deren Form genau zu analysieren und darüber hinaus das Verhalten einzelner Zellen mit der Oberflächenstruktur in Zusammenhang zu bringen.
 

In naher Zukunft werden so Aussagen gemacht werden können, welche Oberflächeneigenschaften für einen bestimmten Zelltyp wichtig und welche nur von geringer Bedeutung sind.

Dominik Lang


Was ist der Wissenschaftsapéro?
An den regelmässig stattfindenden Wissenschaftapéros greift die Empa-Akademie fachlich und gesellschaftlich relevante Fragestellungen auf. Jeweils drei bis vier ReferentInnen aus Forschung, Politik und Wirtschaft präsentieren in ihren Vorträgen Ergebnisse und Absichten zu dem behandelten Thema. Anschliessend stehen sie auch den nicht mit dem Fach vertrauten Gästen entweder in der Diskussionsrunde oder beim Apéro Rede und Antwort.
Der nächste Wissenschaftsapéro findet als Podiumsdiskussion statt am 29. Juni 2004 zum Thema "Nanotechnologie zwischen Chance und Risiko". Ort: Empa, Dübendorf, Zeit: 16.30. Es ist keine Anmeldung erforderlich.
 

 
 
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