Spinnanlage für Bikomponentenfasern

Fasern aus zwei Komponenten – für mehr Funktionalität

Jun 18, 2004 | REMIGIUS NIDERÖST
An der Empa ist seit kurzem eine Schmelzspinnanlage in Betrieb, mit der sich funktionale Fasern aus zwei thermoplastischen Kunststoffen herstellen lassen. Diese dienen der Entwicklung von Produkten mit angepassten und bisher unbekannten Eigenschaften.
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Reges Interesse an der Einweihungsfeier der neuen Spinnanlage für Bikomponentenfasern
 
Die Anfang Juni in Betrieb genommene Spinnanlage für Bikomponentenfasern ist eine Pilotanlage und dient für Forschungs- und Entwicklungsarbeiten. Sie wird von der Empa nicht nur für eigene Forschungsvorhaben genutzt, sondern auch in Kooperationsprojekten mit Partnern aus Industrie und Wissenschaft eingesetzt. Die Anlage weist eine interessante Grösse auf. Während in der Grundlagenforschung mit Kunststoffmengen von wenigen Gramm gearbeitet wird, liegt der Industriemassstab dagegen bei etlichen tausend Tonnen. Die an der Empa am Standort St. Gallen installierte und von der deutschen Firma Fourné Polymertechnik GmbH gebaute Forschungsanlage ist für einige Kilogramm ausgelegt. Es werden damit mit wenig Materialaufwand Ergebnisse erzielt, die sich dennoch zuverlässig in den industriellen Massstab hochrechnen lassen. An der Einweihungsveranstaltung vom 9. Juni zeigten die zahlreich aus dem In- und Ausland angereisten Industrievertreter auch schon starkes Interesse an den vielfältigen Möglichkeiten.
 
Aus den Spinndüsen tritt bei Temperaturen bis zu 300 Grad Celsius und einem Druck bis zu 100 bar das flüssige Polymer aus.
  Spider produziert Fasern mit Wunscheigenschaften
Spider (Spinning - development – research), wie die Schmelzspinnanlage intern sinnigerweise genannt wird, stellt Fasern her, die aus zwei unterschiedlichen Kunststoffen bestehen. Diese kommen dabei Seite an Seite zu liegen oder weisen eine Kern-Mantel-Struktur auf. Sie können rund, eckig, gefüllt oder hohl sein. Solche Bikomponentenfasern sind in der Textilindustrie heute üblich. Am häufigsten verwendet werden dabei die vier thermoplastischen Polymere Polyamid (PA), Polyester (PET), Polyäthylen (PE) und Polypropylen (PP).
 

Auf der neuen Anlage lassen sich aber auch weniger übliche thermoplastische Ausgangsmaterialien (z.B. biotechnologisch erzeugte Kunststoffe, «Bioplastik») verwenden. Noch unerforschte Kombinationsmöglichkeiten gibt es zuhauf. Spider erlaubt es, die Fasern im Labormassstab herzustellen und deren Zusammensetzung und Ausgestaltung immer wieder mit relativ geringem Aufwand zu variieren, was bei Industrieanlagen nicht wirtschaftlich ist. Die zahlreichen Charakterisierungsmöglichkeiten, welche die Empa vornehmen kann, erlauben wissenschaftlich fundierte Aussagen zu den Eigenschaften dieser neuen Fasertypen.
Spezielle Verfahren, zum Beispiel die Plasmabeschichtung, ermöglichen es, komplexe Faserstrukturen aufzubauen und gezielte chemische Modifikationen an der Faseroberfläche vorzunehmen. So lassen sich die chemischen und physikalischen Eigenschaften der Fäden nach Wunsch beeinflussen,  etwa die Hydrophilität, die Festigkeit, das Schrumpfverhalten und die Elastizität. Möglich ist auch der Einbau von Nanopartikeln im Mantelbereich, um eine gewünschte Funktionalität zu erreichen.

Neue Aussichten für Bikomponentenfasern
Gesucht wird nach Fasern mit Wunscheigenschaften für den Einsatz in funktionalen oder «intelligenten» textilen Materialien, sei es für den Bekleidungsbereich, für technische und medizinische Textilien oder für Faserverbundwerkstoffe. Die Funktionalität der neuartigen Textilien liegt etwa bei der kontrollierten Wirkstofffreigabe bei medizinischen Pflastern, dient zur Stossdämpfung bei Schutzbekleidung, zur Temperaturkontrolle bei Feuerwehr- oder Sportbekleidung und auf dem Gebiet der Sensorik (z.B. Farbänderung bei veränderten Umwelteinflüssen). Stoffe werden so je nach Wunsch biokompatibel, biologisch abbaubar, feuchtigkeitsabweisend oder besonders saugfähig, flammhemmend oder geruchsmindernd.
Viel versprechend scheint vor allem, wertvolle Polymere als Mantel auf Standardpolymer im Kernbereich aufzutragen. Damit können Rohstoffe und Kosten gespart werden.
Eine aussichtsreiche Vision ist es, Fasern mit photovoltaischen Eigenschaften herzustellen. Diese könnten die Energie des Lichtes in Strom umwandeln: sozusagen ein Kraftwerk im Anzug. Schön zu wissen, dass die neue Spinnanlage für Bikomponentenfasern der Empa dazu beitragen kann.

 
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1. Mantel-Extruder EX13-25D / 2.Kern-Extruder EX18-25D / 3. Spinnpumpen / 4. Spinnpaket / 5. Monomerenabsaugung / 6. Blasschacht / 7. Luftzufuhr / 8. Präparationsstift / 9. Galette 1 / 10. Verstreckungszone 1 / 11. Galette 2 / 12. Verstreckungszone 2 / 13. Galette 3 / 14. Aufwicklung
  Aufbau der Anlage
Sie besteht hauptsächlich aus zwei Maschinen zum Ausformen thermoplastischer Kunststoffe (Extrudern), die das Polymergranulat aufschmelzen und homogenisieren. Pumpen sorgen für eine genaue Dosierung des Kunststoffs und bestimmen, je nach Abzugs- und Wickelgeschwindigkeit, die Feinheit der Faser. Die Spinndüse, eine Platte mit bestimmter Lochanzahl und Lochquerschnitt, gibt die Anzahl Fäden und ihren Querschnitt vor. Im Blasschacht wird durch die Luftströmung der Erstarrungs- und Abkühlungsprozess geregelt. Die Spulstreckmaschine erlaubt die Verstreckung und Temperaturnachbehandlung der Faser und somit die gezielte Beeinflussung ihrer mechanischen Eigenschaften.
 

Kontaktpersonen
Dr. Jörn Lübben, Tel. 071 274 72 94,
Marcel Halbeisen, Tel. 071 274 78 67,

Redaktion
Rémy Nideröst,

 
 
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