NEST-Unit «Urban Mining & Recycling» eröffnet

Bauen mit Abfall und Recycling-Material

08.02.2018 | STEPHAN KÄLIN

Ein Wohnmodul, das sortenrein aus wiederverwendbaren, wiederverwertbaren oder kompostierbaren Materialien konstruiert ist: An dieser Prämisse orientiert sich die neueste Unit im NEST, dem modularen Forschungs- und Innovationsgebäude von Empa und Eawag in Dübendorf. Am 8. Februar 2018 wird die NEST-Unit «Urban Mining & Recycling» feierlich eröffnet und fortan zwei Studierenden ein Zuhause bieten. Gleichzeitig soll sie als belebtes Labor dazu dienen, den Wandel der Bauindustrie in Richtung Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen.

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Copyright: Zooey Braun - Stuttgart

Immer knapper werdende Ressourcen und der daraus abgeleitete Wunsch, der heutigen Wegwerfmentalität den Rücken zu kehren, führen dazu, dass sich die Baubranche vermehrt Gedanken über die Mehrfachnutzung und Rezyklierbarkeit von Materialien sowie über alternative Konstruktionsmethoden machen muss. Die neueste NEST-Unit «Urban Mining & Recycling» setzt diese Ideen konsequent um: Entstanden ist ein Wohnmodul, dessen Strukturen und Materialien nach dem Rückbau vollständig und sortenrein wieder- oder weiterverwendet, rezykliert oder kompostiert werden können. Das Konzept dazu stammt von Werner Sobek mit Dirk E. Hebel und Felix Heisel. Werner Sobek ist Leiter des Instituts für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren der Universität Stuttgart und Gründer der gleichnamigen Unternehmensgruppe. Dirk E. Hebel ist Leiter und Felix Heisel Forschungsverantwortlicher des Fachgebiets Nachhaltiges Bauen am KIT Karlsruhe und des Future Cities Laboratory am Singapore-ETH Centre. «Das nach wie vor anhaltende Wachstum der Weltbevölkerung sowie zur Neige gehende Ressourcen erfordern dringend ein Umdenken im Bauwesen», so Werner Sobek. «Wir müssen künftig mit sehr viel weniger Materialien für sehr viel mehr Menschen bauen.»

Eine zentrale Rolle auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Bauwirtschaft spielt deshalb der Kreislaufgedanke: «Die verwendeten Materialien werden nicht verbraucht und dann entsorgt; sie sind vielmehr für eine bestimmte Zeit aus ihrem Kreislauf entnommen und werden später wieder in diesen zurückgeführt», erklärt Dirk E. Hebel das Konzept. In der NEST-Unit «Urban Mining & Recycling» kommen dementsprechend verschiedenste, seriell verarbeitete Bauelemente zum Einsatz, deren unterschiedliche Materialien sortenrein und rückstandsfrei in ihre jeweiligen Stoffkreisläufe zurückgeführt werden können. Unter anderem werden neuartige Dämmplatten aus Pilz-Myzelium, innovative Recyclingsteine, wiederverwertete Isolationsmaterialien sowie geleaste Teppichböden verwendet.

UMAR - Urban Mining & Recycling Unit / NEST
Reversible Materialverbindungen als Voraussetzung für sortenreine Trennung

Das Tragwerk und grosse Teile der Fassade bestehen aus unbehandeltem Holz. «Hier liegt die Innovation in den Verbindungen», erklärt Felix Heisel vom KIT. «Sämtliche Verbindungen können einfach rückgängig gemacht werden, weil die Materialien beispielsweise nicht verklebt, sondern gesteckt, verschränkt oder verschraubt sind.» Das eingesetzte Holz wird zudem so verwendet, dass eine sonst übliche chemische Behandlung nicht nötig ist und damit die sortenreine Wiederverwertung oder eine rein biologische Kompostierung möglich wird. Zusätzlich zum Holz besteht die Einfassung der Fassade aus wiederverwendeten Kupferplatten, die zuvor das Dach eines Hotels in Österreich deckten, bzw. aus Platten, die aus eingeschmolzenem, wiederverwertetem Kupfer gefertigt wurden.

Die komplette Unit wurde im Werk vorfabriziert und innerhalb eines Tages ins Forschungsgebäude auf dem Empa-Campus in Dübendorf eingebaut. In Kürze werden zwei Studierende in die Dreizimmerwohnung einziehen und sich mit den beteiligten Forschern regelmässig über ihre Alltagserfahrungen austauschen. «Mit der Umsetzung und der Demonstration des konsequenten Kreislaufkonzepts in einem realen und bewohnten Bauprojekt, erhoffen wir uns natürlich, das wir ein Umdenken im Bauwesen anstossen können», sagt Enrico Marchesi, verantwortlicher Innovation Manager im NEST. «In Zukunft sollen Gebäude nicht nur Wohn- und Arbeitsraum bieten, sondern gleichzeitig auch als Materiallager für die nächste Generation dienen.»

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NEST – Gemeinsam an der Zukunft bauen
Im Bau- und Energiebereich ist es schwierig, neue Technologien und Produkte schnell auf den Markt zu bringen. Heute besteht oft eine grosse Lücke zwischen Technologien, die im Labor funktionieren, und dem Markt, der zuverlässige, ausgereifte Produkte verlangt. NEST (Next Evolution in Sustainable Building Technologies) beschleunigt den Innovationsprozess, indem es eine Plattform bietet, auf der Neues unter realen Bedingungen validiert, verbessert und demonstriert werden kann. Das modulare Forschungs- und Innovationsgebäude von Empa und Eawag besteht aus einem zentralen Rückgrat – dem «Backbone» – und drei offenen Plattformen, auf denen einzelne Forschungs- und Innovationsmodule nach einem «Plug-&-Play»-Prinzip installiert werden. In diesen Units wird gearbeitet und gewohnt – und gleichzeitig sind sie belebte Versuchslabors. Im NEST arbeiten nationale und internationale Forscherteams aus Universitäten und Fachhochschulen, Architekturbüros und innovative Firmen aus der Baubranche zusammen. Gemeinsam erschaffen Forschung, Wirtschaft und öffentliche Hand die Zukunft des Bau- und Energiebereichs.
Information

Enrico Marchesi
Empa, Innovation Manager NEST
Tel. +41 58 765 47 05

Dr. Frank Heinlein
Werner Sobek Group, Kommunikation
Tel. +49 711 767 50 38

Prof. Dirk Hebel
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Nachhaltiges Bauen
Tel. +49 721 60 84 37 87

Felix Heisel
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Nachhaltiges Bauen
Tel. +49 721 60 84 71 52


Redaktion / Medienkontakt
Stephan Kälin
Empa, Kommunikation NEST
Tel. +41 58 765 49 93

Fotos und weiteres Pressematerial

Ein umfassendes Pressekit ist hier zu finden

Projekt Website

Hörfunkbeitrag im SRF, Echo der Zeit, vom 8. Februar 2018



Projektteam «Urban Mining & Recycling»

Bauherrschaft:
Empa, Eidg. Materialprüfungs- und Forschungsanstalt, Dübendorf, Schweiz

Konzeption, Entwurf und Objektplanung:
Werner Sobek mit Dirk E. Hebel und Felix Heisel, Stuttgart und Karlsruhe, Deutschland

Tragwerksplanung und Generalunternehmer:
Kaufmann Zimmerei und Tischlerei GmbH, Reuthe, Österreich

HLSKE und MSR:  
Amstein-Walthert AG, Zürich, Schweiz

Sprinkler:
NBG Ingenieure AG, Bern, Schweiz; JOMOS Feuerschutz AG, Balsthal, Schweiz

Brandschutz:
Balzer Ingenieure AG, Chur, Schweiz

Bauphysik:
Weber Energie und Bauphysik, Schaffhausen, Schweiz

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