Vor 100 Jahren postuliert – jetzt erstmals beobachtet

Röntgenblitze machen Atomschwingungen sichtbar

02.03.2017 | RAMONA RONNER
Forschern des Berliner Max-Born-Instituts, der Empa und des US-amerikanischen «National Institute of Standards and Technology» (NIST) ist es erstmals gelungen, winzige, ultraschnelle Atomschwingungen in einem Kristallgitter mit Hilfe einer neuen experimentellen Technik zu beobachten. Diese durch einen Lichtimpuls ausgelösten Schwingungen sind die Grundlage eines bereits vor knapp 100 Jahren postulierten physikalischen Effekts, der Raman-Streuung.
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Der österreichische theoretische Physiker Adolf Smekal postulierte 1923 einen physikalischen Effekt, nach dem es bei der Streuung von Licht an Atomen, Molekülen oder Kristallen zu einer Energieübertragung zwischen den Lichtquanten – den Photonen – und den Atomen bzw. Molekülen kommt und sich dadurch die Frequenz, also die Energie, des gestreuten Lichts ändert. In seinen Überlegungen mutmasste Smekal, dass eine direkte Beobachtung der sub-mikroskopischen, innerhalb von Femtosekunden (10-15 s) ablaufenden Prozesse wohl kaum je möglich sein werde.

Nur wenige Jahre später, 1928, konnte der indische Physiker (und spätere Nobelpreisträger) Chandrasekhara Raman den Effekt dann erstmals experimentell nachweisen; er ist heute unter dessen Namen – Raman-Streuung – die Grundlage einer der wichtigsten physikalisch-chemischen Untersuchungsmethoden für Materialeigenschaften – die auch an der Empa rege angewandt wird, etwa zur Strukturaufklärung von Molekülen und Festkörpern, zur Dünnschichtcharakterisierung und zur Detektion und Quantifizierung von chemischen Substanzen in Gasen und Flüssigkeiten. Dagegen dauerte es fast 100 Jahre, um die atomaren Prozesse, die dem Raman-Effekt zugrunde liegen, mit Hilfe der neuesten Lasertechnologie erstmals in Echtzeit beobachten zu können.

Dabei handelt es sich um extrem kleine Schwingungen von Lithium-Ionen innerhalb eines Kristallgitters von Lithium-Bor-Hydrid (LiBH4), die von einem Laserimpuls ausgelöst werden können. Die Li-Ionen bewegen sich dabei lediglich um drei Femtometer, also 3 x 10-15 m, hin und her. Das entspricht etwa dem Durchmesser eines Li-Atomkerns und ist damit rund 100‘000-mal kürzer als der Abstand zwischen den Ionen des LiBH4-Kristallgitters. Noch dazu verlaufen diese Schwingungsanregungen extrem schnell, genauer gesagt: innerhalb weniger Femtosekunden (10-15 s). Um derart kleine und ultraschnelle Bewegungen beobachten zu können, wendeten Forscher des Berliner Max-Born-Instituts, der Empa und des NIST eine neuartige experimentelle Technik an, bei der ein Röntgenabsorptionsspektrometer mit ultrakurzen Röntgenblitzen kombiniert wird. Die Erkenntnisse aus der Zusammenarbeit sind für die Empa wertvoll, weil sie zurzeit ein Labor für Röntgenabsorptionsspektroskopie aufbaut.

Weitere Informationen entnehmen Sie bitte der Medienmitteilung des Max-Born-Instituts.

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