Damit Brücken nicht ins Schwingen kommen

Première in Dubrovnik

26.07.2006 | BEAT ASCHWANDEN
Unerwünschte Brückenschwingungen entstehen vor allem durch Wind, Regen oder Verkehr. Winterstürme haben im März 2005 und 2006 die Seile der «Franjo Tudjman Bridge» in Dubrovnik zu derart heftigen Schwingungen angeregt, dass Schäden entstanden. Die Bauherrschaft beschloss deshalb, geregelte Schwingungsdämpfer einzubauen. Ende Juni untersuchte ein Team unter Beteiligung von Empa-Forschern vor Ort, wie stark die eingebauten Dämpfer die Seilschwingungen der Brücke reduzieren.
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Legende: Schrägseilbrücke «Franjo Tudjman Bridge» in der Nähe von Dubrovnik, Kroatien.

 

Erste Messungen zeigen: Die Seile schwingen bis zu zehn Mal weniger stark – von Spitzenwerten um die 2 Meter auf nur mehr rund 20 Zentimeter Ausschlag. Die «Franjo Tudjman Bridge» ist damit die erste Schrägseilbrücke weltweit, an welcher Feedback-geregelte «magnetorheologische Fluiddämpfer» kommerziell eingesetzt und getestet wurden.

Die 2001 fertig gestellte «Franjo Tudjman Bridge» überbrückt nördlich von Dubrovnik (Kroatien) einen ca. 6 Kilometer langen Meeresarm. Die asymmetrische Schrägseilbrücke mit ihrem 143 Meter hohen Pylon wird von zwei Mal 19 Seilen gehalten – die längsten davon sind mehr als 220 Meter lang. Besonders die längeren Seile schwangen im März 2005 und 2006 bei Winterstürmen mit feuchtem Schneefall und Windgeschwindigkeiten von 110 Kilometern pro Stunde mit einer Amplitude in Seilmitte von bis zu 2 Metern. Zu den grossen Schwingamplituden kam es vermutlich, weil der haftende Schnee dem Seilquerschnitt ein Tropfenprofil verlieh und damit die Auf- und Abtriebskräfte durch den Wind deutlich vergrösserte.

 
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Auf der Schrägseilbrücke von Dubrovnik wurden magnetorheologische Dämpfer eingebaut.
 

Magnetorhelogische Dämpfer – durch eine Zusammenarbeit zwischen Empa und ihren Industriepartnern

Der Brückenbetreiber «Croatian Roads» und der Seilhersteller «DYWIDAG-Systems» entschieden daher 2005, von der Münchner Firma «Maurer Söhne» ein Seildämpfungssystem einbauen zu lassen. Dieses sollte einerseits verhindern, dass die Brücke bei mittleren Windgeschwindigkeiten für den Verkehr gesperrt werden muss; andererseits sollen Materialschäden der Seile an ihrer Verankerung vermieden und somit die Tragsicherheit der Brücke gewährleistet werden. Zum ersten Mal überhaupt kommt ein System mit so genannten magnetorheologischen Fluiddämpfern (MR-Dämpfer) zum kommerziellen Einsatz.

 
Diese Dämpfer passen sich den Schwingungen an: Ein Regelalgorithmus verändert die Dämpfungskraft abhängig von den momentanen Seilschwingungen. Das heisst: Je heftiger die Seile auf und ab schwingen, desto grösser ist die Dämpferkraft. Da MR-Dämpfer auch bei Stromausfall auf der Brücke mit ihrer Grunddämpfungskraft arbeiten, ist ein solches System ausfallsicher. Die MR-Dämpfer der «Franjo Tudjman Bridge» sind senkrecht zwischen Brückendeck und Seil auf ca. 3.5 Metern über dem Brückendeck an den Seilen befestigt. Der regelbare Kraftbereich der MR-Dämpfer wurde an der Empa-Abteilung «Ingenieur-Strukturen» von Felix Weber auf die tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort abgestimmt. Der Regelalgorithmus wurde ebenfalls an der Empa entwickelt und am Seilmodell in der Bauhalle in Dübendorf getestet und optimiert.
 

«Real-life»-Untersuchungen vor Ort

Die Messungen auf der «Franjo Tudjman Bridge» zielten zum einen darauf ab zu bestimmen, wie stark die MR-Dämpfer die Seile tatsächlich bedämpfen; zum anderen sollte der Regelalgorithmus auf die spezifischen Brückeneigenschaften eingestellt werden. Dazu wurden die Seile zuerst ohne und dann mit MR-Dämpfer von Hand in Schwingung versetzt. Gemessen wurden Seilschwingung, die Bewegung des Dämpferkolbens und die durch LKW-Verkehr verursachte Schwingung des Brückendecks. Die Versuche zeigten, dass die Eigendämpfung der Seile – also ohne Dämpfer – eher an der unteren Grenze der üblichen Dämpfung von Schrägseilen liegt, während die Seile mit geregelten MR-Dämpfern rund zehn Mal stärker gedämpft sind. «Wir waren erstaunt, wie stark die MR-Dämpfer die Seile bedämpfen, denn eine Erhöhung der Dämpfung um den Faktor 10 entspricht in etwa einem Dämpferwirkungsgrad von 70%, was sehr hoch ist.»

Gemäss Erfahrungswerten sollte dies genügen, die Seile der «Franjo Tudjman Bridge» in Zukunft selbst bei starkem Wind mit feuchtem Schneefall nur noch mit kleinen Amplituden schwingen zu lassen, die die Tragsicherheit der Brücke nicht beeinträchtigen. Überschlagsrechnungen zeigen, dass die Seilamplituden für dieses «worst-case-Szenario» maximal 15 bis 20 Zentimeter betragen sollten.

 

Nächste Projekte

Als nächstes wird auf der «Franjo Tudjman Bridge» ein Monitoring-System eingebaut, welches Schwingungsdaten aufzeichnet und über das die Dämpfung direkt via Internet – also praktisch per Fernbedienung – verändert werden kann. Während der Einbau des von der Empa und Maurer entwickelten adaptiven Dämpfungssystems in Dubrovnik fast abgeschlossen ist, stehen bereits weitere 48 MR- und 224 Öldämpfer an der Empa für ihren Einsatz bereit: Sie sollen die chinesische «Sutong-Brücke» über den Yangtse dereinst vor Schwingungen bewahren. Bei der «Sutong-Brücke» handelt es sich um die Schrägseilbrücke mit der grössten freien Spannweite zwischen zwei Pylonen weltweit; ihre Fertigstellung ist für 2007 geplant. In den nächsten Monaten werden diese Dämpfer mitsamt Regelung an der Empa getestet, um nach weiteren Tests in China an der Brücke eingebaut zu werden.

 

Redaktion:
Martina Peter, Abt. Kommunikation, Tel. +41 44 823 49 87, E-mail

Fachliche Ansprechpersonen:
Dr. Felix Weber, Abt. Ingenieur-Strukturen, Tel. +41 44 823 45 36, E-mail

Prof. Dr. Masoud Motavalli, Abt. Ingenieur-Strukturen, Tel. +41 44 823 41 16, E-mail