Auf dem Weg zu einem erschwinglichen Meisterinstrument

Neuer Geldgeber für die Pilzgeige

08.12.2011 | MARTINA PETER

Geigen aus pilzbehandeltem Holz brauchen den Vergleich mit einer Stradivari nicht zu scheuen, wie ein Blindtest vor Fachpublikum ergab. Allerdings gibt es die Klangwunder erst als Einzelstücke.

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Damit die Biotech-Geigen künftig in grösserer Zahl hergestellt werden können, arbeiten die Empa-ForscherInnen derzeit daran, die Pilzbehandlung zu optimieren und zu standardisieren. In der Walter Fischli-Stiftung haben sie hierfür einen grosszügigen, neuen Geldgeber gefunden.

 

Welches Nachwuchstalent träumt nicht davon, einst auf einer Stradivari zu spielen, dem Nonplusultra der Geigenbaukunst? Doch leider sind diese Instrumente rar – und für die meisten unerschwinglich. «Nachbauten» von ähnlicher Klangqualität tun also gut. Der Empa-Forscher Francis Schwarze hat sie zusammen mit einem Schweizer Geigenbauer erschaffen: Mit Hilfe des Fäulnispilzes Physisporinus vitreus, der ganz bestimmte Strukturen im Fichtenholz abbaut, gelang es ihm, Holz mit hervorragenden Klangeigenschaften herzustellen. Selbst ihr Vorbild überflügelten die «Pilzgeigen»: An einer Fachtagung 2009 traten zwei von ihnen in einem Blindtest gegen eine Stradivari an. Ihr Klang gefiel der Fachjury und dem Tagungspublikum besser als ein Instrument des italienischen Meisters aus Cremona.

 
Damit aus mit Pilzen behandeltem Klangholz bald einmal Geigen in genügend grosser Stückzahl gebaut werden können, will Schwarze nun ein standardisiertes Biotech-Verfahren entwickeln. Denn nur dann kann ein interessierter Industriepartner die Technologie auch «massentauglich» weiterverwerten. Um die Brücke zwischen Wissenschaft und Industrie zu schlagen, sind Technologien zu entwickeln, die den möglichen Abnehmern und Abnehmerinnen eindeutige Vorteile bieten. In diesem Fall heisst das, die Parameter für die Holzbehandlung sind so weit zu normieren, dass eine bestimmte Qualität des Klangholzes garantiert werden kann. Kein einfaches Vorhaben bei einem von Natur aus variablen Ausgangsmaterial wie Holz.
 

 
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  Im «Pilzlabor» wird das Klangholz systematisch Fäulnispilzen ausgesetzt. Markus Heeb und Iris Brémaud kontrollieren regelmässig, wie weit der Befall fortgeschritten ist.
 

 
Grosszügige Unterstützung durch die Walter Fischli-Stiftung
Für die Fortsetzung seines Projekts «Pilzgeige» hat der Empa-Forscher in der Walter Fischli-Stiftung einen neuen Geldgeber gefunden. Walter Fischli – Mitgründer der Biotech-Firma Actelion und selber begeisterter Hobby-Geiger – hat beschlossen, Schwarze zu unterstützen: «Meiner Meinung nach wäre es unverzeihlich gewesen, dieses interessante Projekt, das Wissenschaft und Geigenbau so ideal verbindet, auslaufen zu lassen.» Fischli verspricht sich davon, endlich dem Geheimnis auf die Spur zu kommen, warum es Geigenbauern wie Stradivari und Guarneri um 1700 gelungen ist, derartig fantastische Instrumente herzustellen. Ihre Handwerkskunst sei sicher ein ausschlaggebender Faktor gewesen, doch offenbar spielte auch das von ihnen verwendete Holz eine grosse Rolle. «Diese materialtechnischen Gegebenheiten mit einem wissenschaftlichen Ansatz zu ergründen, finde ich enorm interessant», sagt Fischli.
 
Interdisziplinär ein Standard-Holzbehandlungsverfahren entwickeln
Das Anfang September gestartete und auf drei Jahre angelegte Folgeprojekt wird geleitet von Iris Brémaud, einer Spezialistin auf dem Gebiet der Klangholzeigenschaften. Die Französin ist nicht nur dafür verantwortlich, dass die Fäulnispilze P. vitreus und Xylaria longipes die Proben von Fichten- und Ahornholz optimal «veredeln». Sie ist auch bereits in Kontakt mit dem renommierten Basler Instrumentenbauer Michael Baumgartner, unter dessen Leitung aus dem «Pilzholz» Geigen angefertigt werden.
 

 
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  In der Empa-Klimakammer lagern die Holzblöcke unter kontrollierten Bedingungen. Aus ihnen wird der Basler Instrumentenbauer Michael Baumgartner dereinst Geigen bauen.
 

 
Bis er das erste Pilzgeigenholz allerdings in Empfang nehmen kann, müssen an der Empa noch zahlreiche Tests an unbehandeltem und behandeltem Holz durchgeführt werden. Fachleute ermitteln gegenwärtig systematisch Schallgeschwindigkeit, Schallschwächung und Dichte des Klangholzes, Ultraschallexperten entwickeln Methoden, um nachzuweisen, in welchen Bereichen der Fäulnispilz aktiv war und wo nicht, und Profis für optische Messverfahren setzen Verfahren ein, mit denen abgebildet werden kann, wie verschiedene Klanghölzer und auch ganze Instrumente akustisch abstrahlen. Später ist es dann auch wichtig, mit Fachleuten der Psychoakustik zusammenzuarbeiten, um zu verstehen, wie Violinspieler und Zuhörer die Musik einer Pilzgeige wahr- und aufnehmen.
 
 


 

Literaturhinweis
«Physisporinus vitreus: a versatile white rot fungus for engineering value-addes wood products», Francis Schwarze, Mark Schubert, Applied Microbiology and Biotechnology, DOI 10.1007/s00253-011-3539-1