|
Karls kühne Gassenschau: Szene aus dem Programm «Steinbruch». |
|
Das zweite ETIF nach der Auftaktveranstaltung im April war wieder dazu angelegt, Geschäftsführer und Verwaltungsräte von nationalen und internationalen Unternehmen untereinander und mit Wissenschaftlern der Empa in Kontakt zu bringen. Bei den Vorträgen und den anschliessenden Dinner-Gesprächen ging man gemeinsam der Frage nach, was die Begriffe «Nachhaltigkeit und Innovation» im Unternehmensalltag bedeuten und welche Risiken sie bergen. |
|
Innovation als Bauchlandung Nach einführenden Worten von Empa-Marketingleiterin Gabriele Dobenecker und Swissmem-Präsident Hans Hess erläuterte Manuela Stier, Verlegerin des Wirtschaftsmagazins, den geladenen Gästen, wie wichtig «Storytelling» ist, um die Nachhaltigkeitsstrategie des eigenen Unternehmens in der öffentlichen Meinung zu verankern: «Durch Geschichten über Nachhaltigkeit können wir unser Gegenüber einbeziehen und anregen, sich eine eigene Meinung zu bilden», sagte Stier. Dabei könne es nicht nur darum gehen, immer nur positives zu berichten. Geschichten bestünden auch aus Problemen und Konflikten. Viele Success-Stories von Unternehmen berücksichtigten das nicht, «daher werden sie unglaubwürdig und langweilig», warnte die Kommunikationsunternehmerin. Was die nachfolgenden Vorträge anging, war ihre Skepsis allerdings unbegründet. Viele der Redner berichteten offen von Innovationen, die als Bauchlandung endeten. |
|
|
|
| | Karls kühne Gassenschau: Szene aus dem Programm «Baustelle». |
|
|
|
Widerstände bei Spezialisten Balz Halter, Inhaber der Halter Gruppe, stellte seine Vision von Energiemanagement in künftigen Wohnhäusern vor. Mittels eines Chips, der über Stromleitungen Signale austauscht, möchte er einzelne Geräte im Haus miteinander vernetzen. Leider bietet gerade die Baubranche «nicht nur eine skeptische, sondern sogar eine innovationsresistente Umgebung» für neue Lösungsansätze. Das Problem seien nicht einmal die Bauherren selbst, sondern oft Berater und Planer, die mit grosser Mühe überzeugt werden müssten. Halter sieht besondere Chancen in einfachen, effizienten Lösungen: «Wir sollten nicht versuchen, mit hohem Aufwand ein paar Krümel zusammen zu wischen», rät er. Lieber Kosten sparen und auch mal Technik aus dem Haus herausnehmen. |
|
Wie man Fassaden erfindet Hans Ruedi Schweizer leitet die Schweizer Metallbau AG, die vor 36 Jahren damit begann, Trägersysteme für Solarpanels herzustellen. Bis heute konnte die Marktnische verteidigt werden. «Wir haben offene Türen eingerannt, als wir die Solarpanels nicht mehr auf die Ziegel gesetzt sondern an Stelle der Ziegel montiert haben», beschreibt er die innovative Schlüsselidee seiner Firma. Einen solchen Erfolg gelte es, mit einer nachhaltigen Strategie zu sichern: Der Cashflow der Firma wird für Werterhaltung und Weiterentwicklung des Unternehmens eingesetzt, zusätzlich als Boni an Mitarbeiter weitergereicht. Schweizer Metallbau entwickelt neue Produkte nach einem standardisierten Ablauf: Idee Vorprojekt Projektdefinition Design Prototyp Nullserie Serie. |
|
|
|
| | Empa-Direktor Gian Luca Bona (2. v. r.) im Gespräch mit Gästen des ETIF |
|
|
|
Möbelrecycling auf höchstem (Preis-)Niveau Michael Girsberger, CEO der Girsberger Holding AG, berichtete, wie man auf dem von Billiganbietern hart umkämpften Möbelmarkt die Nase oben behält: Die Firma hat sich breit aufgestellt, versorgt Schreinereien mit Hölzern, pflegt eine exklusive Designserie und unterhält als am schnellsten wachsende Sparte die Abteilung «Service & Remanufacturing», in der gebrauchte Möbel aufgefrischt werden. «Hier erleben wir einen echten Boom», sagt Girsberger. «Erhalten statt ersetzen, renovieren statt entsorgen ist bei vielen unserer Kunden die Devise geworden.» Eine Marktnische diesseits von IKEA & Co. |
|
«Ein Produkt, das niemand will» Lukas Braunschweiler, CEO der Sonova Holding AG stellte seine Firma mit einem ungewöhnlichen Statement vor: «Wir entwickeln Hörgeräte ein Produkt, das niemand will!» Um langfristig auf diesem technologisch extrem schnelllebigen Markt präsent zu sein, braucht es eine ausgefeilte Strategie. Braunschweiler teilt diese Strategie in fünf Thesen ein, die er einzeln erläuterte. Eine davon: Veränderung annehmen. Die Vertriebsmodelle von Hörgeräten wandeln sich dramatisch, hin ins Internet. Sonova langsam dorthin zu führen hätte zu lange gedauert; so entschloss sich die Firmenleitung, den Internet-Marktführer Hearing Planet in den USA kurzerhand zu kaufen. |
|
|
|
| | ETIF Referenten auf der Bühne. Rechts, in akrobatischer Haltung, Ernesto Graf von Karls kühne Gassenschau. |
|
|
|
Auch Sprünge in der Technologie seien zwingend nötig, aber in der eigenen Firmenkultur nicht immer zu schaffen: Es gibt ein Hörgerät (designed in California!), das klein ist wie ein gekochtes Reiskorn und samt Batterie für zwei Monate im Gehörgang verschwindet. «Wir hätten es gekonnt, aber nicht gebaut», sagte Braunschweiler dazu selbstkritisch. Schliesslich kaufte Sonova auch diese Firma und brachte sie in die Holding ein. Mut und Ausdauer sei nötig, sagte der Sonova-CEO und schloss mit einem Zitat des IBM-Gründers Thomas Watson: «If you want to increase success, double your failure rate.» |
|
Das Spiel mit der Angst als Erfolgsrezept Zum Schluss trat ein aussergewöhnlich innovativer Unternehmer auf, dessen Produktportfolio alles vorherige in den Schatten stellt: Ernesto Graf, Geschäftsführer der Akrobatentruppe Karls kühne Gassenschau. Das im Wortsinne waghalsige Unternehmen existiert seit 1984 und hat mehrere Metamorphosen hinter sich, die zu immer waghalsigeren Stunts und immer waghalsigerer Finanzierung geführt haben. «Es hat uns einfach gereizt, Bubenstreiche auszuleben, die andere mit 18 aufgegeben haben», sagte Graf, der vor seiner Akrobatenlaufbahn ein Mathematikstudium abschloss. Karls kühne Gassenschau «spielt mit Ängsten den eigenen und denen des Publikums», erläuterte der Bühnenprofi. Genau das scheint der Schlüssel zum unternehmerischen Erfolg. |
|
|
|
Die Vortragsreihe ETIF wird im nächsten Jahr fortgesetzt. |
|
|