Empa-Forschende klären, warum sich Implantatbeschichtungen lösen – und können dies verhindern

Implantatversagen durch Nanokorrosion

09.08.2010 | REMIGIUS NIDERÖST

Extrem harte Beschichtungen aus diamantartigem Kohlenstoff (DLC) verlängern bei Werkzeugen und Bauteilen die Einsatzdauer. Bei Gelenksimplantaten versagen DLC-Schichten allerdings oft, weil sie sich ablösen. Empa-ForscherInnen fanden nun heraus, warum – und entwickelten Verfahren, mit denen die Grenzfläche zwischen DLC-Schicht und darunter liegendem Metall korrosionsbeständig wird und sich die Lebensdauer der Implantate vorhersagen lässt.

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Quelle: iStock-Photo (Symbolbild)
 

Ob auf Computerfestplatten, Sägeblättern, Prägewerkzeugen, Rasierklingen oder Einspritzdüsen: Extrem harte Schichten aus diamantartigem Kohlenstoff (englisch «diamond-like carbon», DLC) bewähren sich schon seit geraumer Zeit. Sie vermindern den Abrieb und verleihen Werkzeugen und Bauteilen deshalb eine längere Einsatzdauer. Was liegt also näher, als DLC auch auf medizinische Implantate wie künstliche Gelenke aufzubringen, dachten sich verschiedene Implantathersteller. Denn auch hier ist Abrieb ein Problem.

 

In den Labors hatte DLC dann schnell etliche In-vitro-Tests bestanden und sich als körperverträglich, extrem abriebfest und resistent gegen das relativ aggressive Körpermilieu erwiesen. Implantiert in den menschlichen Körper, traten jedoch schon nach wenigen Jahren gravierende Probleme auf: Die DLC-Schichten hatten sich ohne erkennbaren Grund vom Implantatmaterial gelöst.

 

Grenzfläche im Visier
In einem von der Förderagentur für Innovation (KTI), der Medizinaltechnikfirma Synthes GmbH und der Beschichtungsfirma Ionbond AG unterstützten Projekt gingen Empa-Forscherinnen und -Forscher den Ursachen für das Implantatversagen auf den Grund. Dazu untersuchten sie die Grenzflächen zwischen Implantatmaterial und Beschichtung besonders akribisch. «Beim Zusammenfügen zweier Materialien entsteht in der Grenzfläche eine nur wenige Atomlagen dünne Reaktionsschicht – und somit ein neues Material, das wir nun erstmals genau untersucht haben», erklärt Roland Hauert von der Abteilung «Nanoscale Materials Science» der Empa.

Sein Team konnte nachweisen, dass diese bisher kaum beachtete Reaktionsschicht im Körper nicht immer korrosionsstabil ist. Die Folge: Es kann zu einem Ablösen der DLC-Schicht kommen. So können durch Spannungsrisskorrosion entstandene Risse in der Reaktionsschicht durch mechanische Belastung und eindringende Körperflüssigkeit langsam weiterwachsen und dadurch nach und nach zum Ablösen der DLC-Schicht führen.

 

 
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Legende: Durch Spannungsrisskorrosion wächst unter physiologischen Bedingungen in der nur fünf Nanometer dicken Reaktionsschicht aus Metallkarbiden langsam ein Riss, der zum Ablösen der DLC-Schicht vom Implantat aus Kobalt-Chrom-Molybdän (CoCrMo) führt. (Transmissionselektronenmikroskopie-Aufnahme)

 

 

In anderen Fällen war Spaltkorrosion für die Schädigung der Reaktionsschicht verantwortlich. Dabei bildet sich in feinen Spalten mit der Zeit ein aggressives, saures Medium, das allmählich die Reaktionsschicht oder die zusätzlich aufgebrachte Haftvermittlungsschicht zerfrisst, was ebenfalls zum Ablösen der DLC-Schicht führt.

 

Verfahren, um Lebensdauer zu bestimmen
Doch damit nicht genug: Das Empa-Team entwickelte mit ihren Industriepartnern Synthes GmbH und Ionbond AG auch gleich eine korrosionsstabile Zwischenschicht an der Grenzfläche zum DLC und zudem ein Verfahren, mit dem sich die Geschwindigkeit des Risswachstums bei Spannungsrisskorrosion unter körperähnlichen Bedingungen sowie die Zersetzungsrate der Reaktionsschicht bei Spaltkorrosion bestimmen lässt. «Daraus lässt sich dann die zu erwartende Lebensdauer der beschichteten Implantate im menschlichen Körper berechnen», erklärt Roland Hauert. Ob ein DLC-beschichtetes Implantat in vivo vorzeitig versagen wird, kann also in Zukunft schon während der Produktentwicklung erkannt werden.