Neue Konzepte in der Füge- und Grenzflächentechnologie

Beim Schweissen und Löten heisst es: Wissenschaft vs. Empirie

28.01.2009 | REMIGIUS NIDERÖST
Sollen metallische Bauteile dauerhaft und «untrennbar» miteinander verbunden werden, geschieht das in der Regel durch Schweissen oder Löten. Beide Fügeprozesse verlangen ein grundlegendes physikalisches Verständnis der verwendeten Metalle. Eine Tagung rund um neue Fügetechnologien an der Empa brachte im Januar rund 100 Fachleute aus Industrie und Forschung zusammen, um über verschiedene Aspekte der Füge- und Grenzflächentechnologie zu diskutieren.
/documents/56164/286256/a592-2009-01-28-b1s_f%C3%BCgetechnik.jpg/95bbc629-ab1d-40f7-8d92-12e18a3d2bc6?t=1448305902603
 

Schweissen, das unlösbare Verbinden von Bauteilen durch Wärme und Druck, ist zwar keine Hexerei; doch Flammschweissen, Gasschmelzschweissen, Schutzgas-, Widerstands-, Kaltpress-, Laser-, Schmelz- und Reibschweissen – um nur einige zu nennen – wollen beherrscht und, noch wichtiger, verstanden sein. Denn sonst kann es leicht passieren, dass das geschweisste Teil nicht aushält, was es sollte. Aber auch beim Löten, bei dem die Grundwerkstoffe selber nicht zum Schmelzen gebracht werden und die Verbindung durch ein Lot zustande kommt, sind die physikalisch-chemischen Vorgänge alles andere als trivial.
So vielfältig die an der Tagung vorgestellten Fügeverfahren auch sind, die Schwierigkeiten in der Anwendung sind immer ähnlich: Verziehen des Bauteils, Verspröden des Materials durch Hitze, Oxidation der Schweissnaht, schlechte Schweiss- und Lötbarkeit der Materialien und vieles mehr. Probleme, die auch die Wissenschaft herausfordern. Denn ist erst einmal verstanden, warum sich ein bestimmtes Material beim Schweissen so und nicht anders verhält, lassen sich unter Umständen bessere, dauerhaftere Fügeverfahren entwickeln.


Computersimulation zur Prozessoptimierung
Gemäss Christian Leinenbach von der Empa-Abteilung «Füge- und Grenzflächentechnologie» steckt im Schweissen und Löten viel Empirie und Erfahrung. «Es funktioniert einfach. Wir möchten die Prozesse aber auch verstehen, um Werkstoffe weiterzuentwickeln und die Prozesstechnologie optimieren zu können. Hierzu muss man sich das Material und seine Eigenschaften ganz genau ansehen, das ist Grundlagenforschung», so Leinenbach. Um beispielsweise die Wechselwirkungen der am Schweiss- oder Lötprozess beteiligten chemischen Elemente zu verstehen, sind experimentelle Daten nötig. Aber auch verschiedene computerbasierte Simulationsmethoden werden eingesetzt, mit denen sich etwa berechnen lässt, bei welchen Temperaturen welche der so genannten Phasen in der Fügeverbindung, also in der Grenzfläche, entstehen.
Zum Beispiel beim Auflöten von Diamant auf Stahl für Hochleistungs-Schleifwerkzeuge. Gegenüber dem klassischen galvanischen Verfahren, bei dem die winzigen Diamanten praktisch in einer Metallschicht versenkt werden, hat das Löten den Vorteil, dass die Diamantkörner weit aus dem Stahl herausragen. Es werden höhere Schleifgeschwindigkeiten möglich und das Werkzeug hält länger. «Allerdings ist das Löten von Diamant nicht ganz einfach», so Leinenbach. Hierzu brauche es genaue Kenntnis der Grenzflächenreaktionen und der Reaktionsmechanismen zwischen Diamant und dem verwendeten Lot. An der Empa werden diese Mechanismen einerseits mit realen Versuchen etwa in einem Hochvakuumofen erforscht, aber auch virtuell am Rechner modelliert. Ziel ist das Optimieren der Prozessparameter oder der Zusammensetzung des Lotes.
Hans Gut von der MAN Turbo AG ging als Industrievertreter auf die speziellen Herausforderungen beim Herstellen von Laufrädern für Turbokompressoren ein. Dabei kommen sowohl Schweiss- als auch Lötverfahren zum Einsatz, und dies bei oft schwierigen Platz- und Temperaturverhältnissen an bis zu tonnenschweren Objekten. Gut sieht es als besonders wichtig an, dass der «Übertrag von der Hochschule in die Industrie» stattfindet, denn «wir sind immer etwas hinterher».


Laserschweissen – neue Technik mit viel Potenzial
Konrad Wegener von der ETH Zürich stellte schliesslich ein neues Schweissverfahren vor, das Laserschweissen. Diese «revolutionäre» Technik sei im Wirkungsgrad zwar schlechter als herkömmliche Verfahren, etwa als solche mit Gas, dazu auch aufwändiger und teurer. Aber dank Laser lassen sich selbst schwer schweissbare Materialien wie Alu und Stahl miteinander verbinden. Ausserdem lässt er sich auch an schwer zugänglichen Stellen anwenden, etwa im Inneren von Sandwichbauteilen.
«Bisher musste der Schweisser nur die Elektrode reinigen und dann mit dem Schweissen anfangen», so Wegener. Nicht ganz so schnell gehts beim Laserschweissen: Es wird in der Regel automatisiert eingesetzt und benötigt daher einen gewissen Programmieraufwand der Maschine. Das neue Verfahren müsse gezielt dort eingesetzt werden, wo die positiven Eigenschaften des Lasers zum Tragen kommen, wie dessen hohe Energieintensität, die berührungslose Übertragung der Energie, die grosse Schweissgeschwindigkeit, die damit verbundene höhere Produktivität und die Anwendbarkeit auch bei kleinsten (Elektronik-)Teilen oder im Flugzeugbau, wo traditionell genietet wird. Konrad Wegener sieht für den Lasereinsatz grosses Potenzial: «Die Revolution hat erst begonnen.».
Neben dem Fügen wird der Laser aber auch fürs Trennen von Bauteilen genutzt und ersetzt zum Teil schon teure Stanzwerkzeuge. Im zweiten Teil der Tagung am Nachmittag wurden solche neuartigen praktischen Anwendungen vorgestellt und anwendungsbezogene Probleme der Laser- und anderer Techniken mit den anwesenden Industrievertretern diskutiert.