Bachforellen mit UV-Filtersubstanzen belastet
Forellen mit Sonnenschutz im Gewebe
Einige Chemikalien stehen im Verdacht, den Hormonhaushalt von Mensch und Tier aus dem Gleichgewicht zu bringen, so etwa verschiedene UV-Filtersubstanzen. Zwei dieser Sonnenschutzmittel haben Forscher der Empa, in Zusammenarbeit mit der Agroscope FAW Wädenswil, nun in Bachforellen aus sieben Schweizer Flüssen gefunden in rund zehnmal höheren Mengen als in Felchen und Rotaugen aus Schweizer Seen.

Eine mögliche Ursache hierfür sind Abwasserreinigungsanlagen, die trotz moderner Technologie nicht alle Chemikalien vollständig zurückhalten können, berichten die Forscher in der aktuellen online-Ausgabe des Fachblatts Environmental Science and Technology. | |||
Legende: Eine der gefangenen Bachforellen (Salmo trutta fario), die die Empa- und Eawag-Forscher aus insgesamt sieben Schweizer Flüssen gefischt haben.
Ob Sonnen- oder Tagescrème, Bodylotion, Lippenbalsam, Haarspray oder Shampoo heute gibt es kaum ein Körperpflegemittel, das sie nicht enthält. Die Rede ist von UV-Filtern, die uns vor der schädigenden Wirkung der Sonnenstrahlen schützen und von denen weltweit jedes Jahr mehrere hundert Tonnen produziert werden. In den letzten Jahren sind jedoch verschiedene Chemikalien, darunter auch einige UV-Filtersubstanzen, in den Verdacht geraten, durch ihre hormonähnlichen Eigenschaften Gesundheit und Fortpflanzungsfähigkeit von Mensch und Tier zu beeinträchtigen. Fische mit Missbildungen an den Geschlechtsorganen oder Eisbärjungen, die als Zwitter zur Welt kamen, machten Schlagzeilen. Daher werden diese so genannten hormonaktiven Substanzen (Englisch endocrine disruptors) derzeit intensiv erforscht unter anderem von Wissenschaftlern der Empa im Rahmen des seit 2002 laufenden Nationalen Forschungsprogramms 50 (Hormonaktive Stoffe: Bedeutung für Menschen, Tiere und Ökosysteme), in welchem mehr als 20 Forschungsinstitutionen mitarbeiten.. Dabei geht es um Fragen wie: Welche Substanzen wirken überhaupt als Umwelthormone? In welchen Mengen belasten diese Stoffe verschiedene Ökosysteme und wie viel nehmen Menschen und Tiere davon auf?
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Schweizer Seen unterschiedlich schwer belastet Die Belastung der Gewässer spiegelte sich dabei in ihren Bewohnern wider: Je höher die Konzentrationen der UV-Filtersubstanzen in den Seen waren, desto mehr fand sich auch im Gewebe von Rotaugen (Rutilus rutilus) und Felchen (Coregonus sp.).
Die Flammschutzmittel, die vor allem in Kunststoffgehäusen von Elektrogeräten und in Textilien für Polstermöbel verwendet werden, entdeckte das Empa-Team sogar im Wasser und in den Fischen von abgelegenen Bergseen, allerdings in geringeren Mengen als in Flüssen und Seen aus Siedlungszonen. Der einzig plausible Weg, auf dem die Umweltschadstoffe in die Bergseen gelangen konnten, ist über die Atmosphäre, so Schmid.
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Erfolgreiche Zusammenarbeit mehrerer Forschungsinstitute | |||
| Die Fische wurden allesamt wenige hundert Meter unterhalb des Einlasses einer Abwasserreinigungsanlage (ARA) gefischt, um maximal belastete Fische untersuchen zu können. Denn obwohl in den ARAs der grösste Teil der Umwelthormone abgebaut oder im Klärschlamm gebunden wird, sind ihre Ausläufe eine der Hauptverschmutzungsquellen für Fliessgewässer. | ||
Dies zeigten auch die Ergebnisse der chemischen Analysen: Im Vergleich zu den Seefischen enthielten Bachforellen (Salmo trutta fario) zum Teil wesentlich höhere Mengen an 4-MBC und OC; waren Rotaugen und Felchen mit bis zu 170 ppb 4-MBC (parts per billion, also Nanogramm pro Gramm Fett) belastet, so enthielten Bachforellen bis zu 1800 ppb. OC, das in Seefischen nur in kaum messbarer Menge vorkommt, erreichte gar Konzentrationen von bis zu 2400 ppb. Und auch mit Flammschutzmitteln, so fanden die Empa-Forscher, sind Bachforellen stärker belastet als Fische aus den Schweizer Seen. Generell zeigt der Trend allerdings nach unten; seit 2002 nimmt hierzulande etwa die 4-MBC-Belastung verschiedener Gewässer langsam, aber stetig ab. Der Grund: Hormonaktive Filtersubstanzen werden allmählich durch weniger bedenkliche Stoffe ersetzt. Auf keinen Fall sollte nun jemand auf die Idee kommen, auf Sonnenschutz zu verzichten. Denn ein zuviel an UV-Strahlen ist gefährlich, sagt der Empa-Forscher Martin Kohler. Doch die Industrie müsse die UV-Filtersubstanzen sorgfältig auswählen. Kohler: Es geht darum, Chemikalien zu vermeiden die sich in der Umwelt anreichern und deren Eigenschaften gesundheitlich bedenklich sein könnten. Als nächstes wollen Kohler und Schmid ihr Augenmerk auf UV-Filtersubstanzen richten, die bestimmten Kunststoffen beigefügt werden, um diese vor Sonnenstrahlen zu schützen. Ob und in welchem Ausmass diese Stoffe die Umwelt belasten, ist noch völlig unbekannt, so Kohler.
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