NEST-Unit «Vision Wood»

Faszination Holz

22.06.2016 | AMANDA ARROYO
Wie eine Schublade schob ein Kran Ende April das Modul namens «Vision Wood» in das NEST-Gebäude hinein. Die neue Unit sieht nicht nur nach viel Holz aus, es steckt auch viel des altbewährten Materials drin. Allerdings mit völlig unerwarteten Funktionen, die Unmögliches plötzlich möglich machen.
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Ein Holzhaus ist der Traum vieler, doch bereits nach wenigen Jahren ist die Fassade verwittert und verfärbt. Auch im Innenbereich ist das Material sehr heikel. Es verbleicht, wenn die Sonne draufscheint, und wellt sich unter den Topfpflanzen, wenn der Nachbar es während der Ferien mit dem Giessen zu gut gemeint hat. Solch ein Haus in gepflegtem Zustand zu halten, ist aufwendig: Schleifen und Lackieren gehören zu den regelmässigen Aufgaben, es sei denn, man möchte alle fünf Jahre die Terrasse abreissen und neu aufbauen. Dennoch ist Holz für viele das Material der Wahl, denn es ist ästhetisch, stark und einfach zu bearbeiten – ideale Bedingungen für ein Baumaterial.

Neue Erfindungen im Praxistest

Um Holz als Baumaterial pflegeleichter und damit (noch) attraktiver zu machen, haben Tanja Zimmermann, Leiterin der Empa-Abteilung «Angewandte Holzforschung», und Ingo Burgert, Professor für «Holzbasierte Materialien» an der ETH Zürich und Empa-Forscher, mit ihren Teams dem altbewährten Werkstoff neue Funktionen eingehaucht. Nun möchten die beiden diese Materialentwicklungen in der neuen Unit «Vision Wood», die kürzlich in das NEST-Gebäude eingebaut wurde, testen. «Dort wird sich zeigen, wie sich die Materialien unter realen Bedingungen verhalten», sagt Zimmermann.

Denn in der Unit stehen drei bezugsfertige Wohneinheiten bereit, in denen vorerst zwei Doktoranden wohnen werden. Eine Person mit und eine ohne Bezug zum Holz. Die dritte Wohneinheit wird vorerst unbesetzt bleiben und zu Besucherführungen dienen. «Da würde ich am liebsten selbst einziehen», sagt Zimmermann und lacht. «Doch eine Doktorarbeit würde ich dafür nicht noch einmal machen.» Die beiden Studenten werden in einer Wohngemeinschaft die Einrichtung gemeinsam nutzen und durch den täglichen Gebrauch einen Verschleiss verursachen – der ultimative Praxistest für die neuen Materialentwicklungen.

Ansonsten wird die Buche verfeuert

Ungewöhnlich: Die Unit ist zum grossen Teil aus Buchenholz gebaut. «Der Schweizer Wald ist voll von diesem Laubbaum», sagt Zimmermann, «allerdings war bisher nicht klar, was man damit machen soll.» Denn die Holzart ist sehr empfindlich auf Feuchtigkeit. Wird sie nass, verformt sie sich enorm. Ungeschützt würde eine Holzfassade aus diesem Material total verkrümmen und nach kurzer Zeit einen starken Pilzbefall aufweisen. Deshalb wird schönes Buchenstammholz nur im Innenbereich, etwa für Möbel, verwendet – oder aber zu Brennholz verarbeitet. Doch eigentlich würde es sich dank hoher Festigkeit hervorragend für tragende Konstruktionen eignen. Genau die sind für die Unit aus verklebtem Buchenbrettsperrholz gefertigt.

«Doch auch die Oberflächen im Innenraum sind sehr buchenlastig», sagt Zimmermann. So wurde beispielsweise die sensible Buche mit einem speziellen Oberflächenverfahren wasserabweisender gemacht. Das Resultat sind ein Lavabo und Duschwände, die Wassertropfen abperlen lassen.

NEST Architecture
Holz an völlig neuen Stellen

Vollkommen neuartige Eigenschaften haben auch die Türen, die dank eingelagertem Kalk dem Feuer besser trotzen, oder hölzerne Türfallen, die Keime von ungewaschenen Händen abtöten. Denn desinfizierendes Jod ist fest in der Holzstruktur verankert. Ein weiteres Highlight ist die magnetisierbare Holzpinnwand, an der Magnete haften bleiben, weil im Inneren Eisenoxidpartikel stecken. Selbst in den Silikonabdichtungen der Unit ist der Holzbestandteil Zellulose als Verdickungsmittel enthalten.

Weitere Innovationen werden im Aussenbereich getestet. Nicht nur die Holzfassade wird dank eines Anstrichsystems, welches mikrofibrillierte Zellulose als Verstärkungs- und Trägermaterial für aktive Substanzen enthält, Wetter und UV-beständig, so dass sich weniger
Risse bilden und die Fassade vor Mikroorganismen geschützt ist. Auch auf der Terrasse kommt ein neuartiges und hochfestes Bambuskomposit-Material zum Einsatz. Dank eines ökologisch erzeugten Harzes wird Bambus ausserdem wasserfest und witterungsbeständig. Aus demselben Material sind auch die Terrassenmöbel gefertigt. Da es besonders zugfest ist, sind besonders filigrane Strukturen möglich. Die Unit «Vision Wood» beweist: Mit Holz lassen sich ansprechendes Design, Wohnkomfort und Nachhaltigkeit perfekt miteinander verbinden.

Modulbau – ein Blick in die Zukunft
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Bemerkenswert an der Unit Vision Wood ist der besonders hohe Grad an Vorfertigung der einzelnen Komponenten. Das ist kein Zufall, sondern Teil des Forschungsprojekts: Die sieben Module, aus denen die drei Wohneinheiten entstehen, sind beim Projektpartner Renggli AG hergestellt und per Tieflader angeliefert worden. Mittels eines Autokrans wurden die Module am 26. April in die mittlere Plattform von NEST eingeschoben.

Firmenchef Max Renggli hat seine Firma konsequent auf diese Art Produktion ausgerichtet. «Modulares Bauen hat Zukunft, das hängt mit den modernen Produktionsmitteln zusammen, über die wir heute verfügen», sagt Renggli. «Wir können die Module im 3-D-Verfahren sehr weit vorausplanen, dann unter optimalen Bedingungen in unseren Werkshallen aufbauen und just-in-time auf die Baustelle liefern. Dadurch erreichen wir einen sauberen Prozessablauf und minimieren die Bauphasen, die ausserhalb unserer Kontrolle stattfinden.» Für Renggli ist der Einbau der Module eine Art Testlauf, mit der er das Zusammenwirken mit anderen Gewerken optimieren will. «NEST könnte der Startpunkt für eine neue Baukultur sein, mit präziserer Planung, besser vernetztem Denken und mehr Sorgfalt auf dem Weg zum Endprodukt.»



Further information

Dr. Tanja Zimmermann
Applied Wood Materials
Phone +41 58 765 41 15
tanja.zimmermann@empa.ch

Prof. Dr. Ingo Burgert
Applied Wood Materials
Phone +41 58 765 44 34
ingo.burgert@empa.ch

 

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