Interview
«Wenn wir diese Chance nicht nutzen, werden es andere tun.»
Empa-Direktor Gian-Luca Bona über Chancen und Risiken der Digitalisierung – und die Frage wie ein Materialforschungsinstitut sich auf diese Zukunft ausrichten muss.
Welches IT-Projekt an der Empa begeistert Sie aktuell am meisten?
Das ist schwer zu sagen, denn wir arbeiten an vielen spannenden Projekten. Angefangen bei der Nanotechnologie, wo wir Materialeigenschaften von wenigen Atomen in Reaktionen studieren, bis hin zu IT-Projekten wie dem Energy Hub Demonstrator.
Worum geht es bei diesem Projekt?
Wir wollen herausfinden, wie man Quartiere oder ganze Stadtteile energetisch modellieren kann. Das tun wir, indem wir Daten erfassen und dann Vorhersagen treffen, welche Sanierungen aus Energie-Sicht optimal wären. Das Projekt hängt eng mit der Energiestrategie 2050 des Bundes zusammen bei der wir auf eine optimale Nutzung erneuerbarer Energien und Minimierung des CO2 Ausstosses hinarbeiten.
Beim Namen Empa denkt man nicht direkt an digitale Technologien. Welchen Stellenwert hat IT bei Ihnen?
Einen stark wachsenden. Das hängt damit zusammen, dass die Empa heute eine Forschungsinstitution für Materialien und Technologien ist - und Materialien sind die Grundlage jeder IT-Lösung. Wenn wir also Materialforschung machen, beteiligen wir uns an der Entwicklung digitaler Technik und versuchen von Beginn weg, diese Technik bei der Forschung anzuwenden.
An der Empa bauen Roboter Häuser und Drohnen unterhalten sie anschliessend. Was braucht es noch zur vollautomatisierten Baustelle?
Wir möchten zeigen, wie sich alle Schritte vom Reissbrett über das fertige Produkt bis hin zu Wartung und Betrieb, mit digitaler Technik realisieren lassen. Dazu arbeiten wir mit verschiedenen Forschungseinrichtungen zusammen, vor allem der ETH Zürich. Dabei haben wir nicht nur das Potenzial, sondern auch die Schwierigkeiten des Bauens mit Robotern miterlebt. Eine Herausforderung ist es zum Beispiel, die verschiedenen Fachbereiche zu koordinieren. Im Moment läuft da sehr viel und wir möchten unsere Materialkenntnis einbringen, um Bau und Wartung der Zukunft zu realisieren.
Digitalisierung und Automatisierung haben nicht nur Potenzial, sie sind auch umstritten. Es ist von Arbeitslosigkeit und dem Verlust von beruflichen Identitäten die Rede. Wie sehen Sie das?
Ich sehe in der Automatisierung eine Riesenchance. Wenn wir diese Chance nicht nutzen, werden es andere tun und uns an den Rand drängen. Ich bin mir aber auch bewusst, dass die Technik etwa von einem Maurer als Bedrohung wahrgenommen werden kann. Sein Berufsbild wird sich verändern. Alle klassischen Berufe werden in Bezug auf technische Kenntnisse anspruchsvoller. Das muss kein Nachteil sein: Mit 60 hat der Bauarbeiter dann keinen kaputten Rücken mehr, sondern drei Umschulungen hinter sich.
Wie will die Empa die digitale Zukunft der Schweiz aktiv mitgestalten?
Wir als Forschungsinstitution für Materialien wollen uns dem digitalen Umfeld öffnen, indem wir unser Know-how auf Plattformen zur Verfügung stellen. Wir nennen das "Open Innovation". Ausserdem entwickeln wir uns stetig weiter und investieren etwa in die Bereiche Big Data, künstliche Intelligenz und Machine Learning. Hier ist vor allem die internationale Kooperation wichtig. Dieses Potenzial muss man nutzen. Sich abzuschotten ist keine Lösung.