FOKUS: Holz – völlig neu erdacht

Keine Chance für Keime

05.04.2016 | MARTINA PETER

Enzyme aus Pilzen, Bakterien und Pflanzen machen Holz widerstandsfähig gegen zersetzende und pathogene Mikroorganismen. Denkbare Anwendungen wären keimresistente Holzoberflächen für Spitäler und Pflegeheime, aber auch pilzresistente Fassaden, die ohne Schutzanstrich länger halten.

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Verwitterte Holzfassaden im Aussenbereich bieten oft einen trüben Anblick: Von Pilzbewuchs grau geworden, von Bakterien zerfressen, büsst das ansehnliche Material viel von seinem ursprünglichen Glanz ein. Das hält viele Eigenheimbesitzer und Bauherren davon ab, Holz als Baustoff zu verwenden. Auch in Küchen oder Pflegeinstitutionen, in denen hoher Wert auf Hygiene gelegt wird, gilt Holz als Tabu. Als Naturstoff bietet Holz nämlich vielen pathogenen Mikroorganismen eine ideale Brutstätte.
Holzlacke oder Lasuren können einem Befall zwar vorbeugen, doch bescheren sie nicht selten neue Probleme, da sie oft giftige Stoffe enthalten. Diese sind in der Produktion und beim Auftragen ein Gesundheitsrisiko und können aus dem Holz durch Regen oder Zersetzung ausgewaschen werden. Dadurch gelangt zum Beispiel Kupfer in Böden, wo es zur Belastung für die Umwelt wird.

Pilze als Werkzeug zur Holzbearbeitung
Ideal wäre es also, das Holz ohne toxische Zusatzstoffe vor Pilzen und Bakterien zu schützen. Eine solche Methode haben Empa-Forscher der Abteilung «Angewandte Holzforschung» nun gefunden. Der Clou: Die Wissenschaftler benutzen dazu eine biochemische Methode, die mit einem Stoff arbeitet, der selber aus Pilzen stammt. Der Forst- und Umweltwissenschaftler Mark Schubert ist Spezialist für Holzpilze. Für ihn sind Pilze mehr als nur «Schädlinge», die Holzfassaden zersetzen. In manchen Pilzarten findet man nämlich auch Enzyme, die das Material mit nützlichen Eigenschaften ausstatten können. So verfügt zum Beispiel die Schmetterlingstramete, eine weltweit vorkommende Holz bewohnende Pilzart, über Enzyme, die Holz mit einem antimikrobiellen Iodschutz «ausrüsten».
Diese Enzyme – Laccasen genannt – sorgen als Katalysatoren in ihrer natürlichen Umgebung für die Oxidation phenolischer Substanzen. So wirken in holzigen Pflanzen Laccasen etwa bei der Synthese und dem Abbau von Lignin, einem der Hauptbestandteile in verholzten Zellwänden, mit.
Die Idee der Forscher: In einer «künstlichen» Umgebung soll die aus Weissfäulepilzen gewonnene Laccase dafür sorgen, dass Iod auf eine Holzoberfläche kovalent – also chemisch «fest» – gebunden wird. In einer wässrigen Lösung oxidiert die Laccase das Iodid (I¯) zum hochreaktiven Iod (I2), das eine Bindung mit dem Lignin an der Fichtenholzoberfläche eingeht. «Der Vorteil», so erklärt Schubert, «ist, dass das chemisch gebundene Iod auswaschungsresistent und damit dauerhaft ist.»
Die Forscher haben die ökofreundliche, einfache und günstige Anwendung, die die visuellen und haptischen Eigenschaften des Holzes nicht verändert, bereits patentieren lassen. Sie sind nun mit verschiedenen Partnern aus der Möbel-, Bau- und Papierindustrie im Gespräch, die das Verfahren für ihre Zwecke nutzen wollen. Sei es, um Möbel mit antiseptischer Oberfläche für Spitäler zu produzieren, Holzfassaden anzubieten, die Bakterien- und Pilzbefall gegenüber immun sind, oder um toxische Bindemittel für Fasern bei der Papierherstellung zu ersetzen.
Einsatz im NEST

Gerade starten am NEST – dem modularen Forschungs- und Innovationsgebäude von Empa und Eawag – zwei Langzeitversuche mit iodisiertem Holz. Dabei wird für die Fassade einheimisches Tannen und Fichtenholz verwendet; im Innenbereich kommen Türklinken aus Eichenholz zum Einsatz. Das Holz wird zunächst mit Hilfe der Laccase aus dem Pilz Trametes versicolor iodisiert. Dann sollen die behandelten Hölzer während mehrerer Jahre den Alltagsbedingungen ausgesetzt werden, damit die Forscher eine Vorstellung davon bekommen, wie sich Bakterien- und Pilzbefall in der Praxis reduzieren oder gar verhindern lassen.
Damit nicht genug: Laccase-katalysierte Verfahren eignen sich nicht nur für die Iodisierung von Oberflächen; im NEST werden auch Dämmplatten eingesetzt, deren Qualität die Empa zusammen mit dem Industriepartner Pavatex in einem KTI-Projekt verbessert hatte. Es gelang ihnen, das synthetische Bindemittel zuerst zu reduzieren und später dank Laccase-katalysierten Reaktionen komplett durch nachhaltige und umweltschonende Biopolymere zu ersetzen.

Laccasen in Jeans und Orangensaft
Laccasen sind bereits in zahlreichen Industriebranchen im Einsatz: In der Lebensmittelindustrie benutzt man das Enzym beispielsweise, um giftiges Polyphenol aus Orangensaft oder aus Biermaische zu entfernen. Die Textilindustrie verwendet Laccasen zum Färben von Jeans oder um glattere Textiloberflächen zu schaffen. In der Kosmetikindustrie nutzt man Laccasen zur Herstellung von Aromen und Düften. Für die Industrie sind die Biokatalysatoren interessant, weil sie robust sind, keine besonderen Zusätze benötigen und in grösseren Mengen und zu bezahlbaren Preisen erhältlich sind. Zudem arbeiten Enzyme unter milden Bedingungen, also in wässriger Lösung, bei Raumtemperatur und unter Normaldruck.

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Dr. Mark Schubert
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