Ehrenvoller Abschied nach 35 Jahren an der Empa

Auszeichnung für Lebenswerk: Goldene Mirko-Roš-Medaille für Walter Muster

02.02.2007 | MATTHIAS NAGEL

Am 26. Januar  wurde Walter Muster für seine jahrzehntelange Tätigkeit an der Empa mit dem Mirko-Roš-Award ausgezeichnet. Mit einer Festveranstaltung in der Empa-Akademie wurde das Direktionsmitglied und der Leiter des Departements "Moderne Materialien, ihre Oberflächen und Grenzflächen" in den Ruhestand verabschiedet.

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Der Mirko-Roš-Award ist nach dem ehemaligen Empa-Direktor benannt, unter dessen Leitung von 1924 bis 1949 die Institution ihr weltweites Ansehen etablieren konnte. Die Auszeichnung – eine vom Schweizer Künstler Hans Erni gestaltete Goldmedaille – wurde anlässlich des 125-jährigen Jubiläums der Empa im Jahr 2005 erstmals verliehen und würdigt das material- und ingenieurwissenschaftliche Lebenswerk herausragender Persönlichkeiten auf dem Gebiet des Bauwesens. Nach Alfred Rösli, Aftab Mufti und dem weltweit bekannten Brückenbauer Christian Menn durfte Walter Muster nun als vierter Preisträger die Ehrenmedaille in Empfang nehmen.

Vom Urknall bis zur Raumfahrt

Empa-Direktor Louis Schlapbach eröffnete die Veranstaltung mit einem Vortrag über die Entwicklung von Methoden zur Orientierung in Raum und Zeit. Er stellte darin beispielhaft die Entwicklung der Navigation als Kunst und Wissenschaft dar und erläuterte, wie dadurch unser modernes Weltbild geprägt wurde. Von historischen Seefahrerkarten bis hin zum satellitengestützen GPS spannte er den Bogen. Neben dem menschlichen Erkenntnisdrang sei dazu die Entwicklung präziser Messinstrumente unentbehrlich gewesen. Insbesondere die Zeitmessung sei eine Herausforderung gewesen, wie Schlapbach am Beispiel von Schiffsuhren als damalige Hightech-Produkte zeigte. Heute erlauben moderne technische Systeme, sich auch im dreidimensionalen Luftraum und sogar im Weltall zuverlässig und sicher zu orientieren. Dennoch: Ziele zu bestimmen, eine Destination zielsicher anzustreben und unterwegs den Kurs zu halten, dazu brauche es nach wie vor viele Fähigkeiten – eben gerade jene, wie sie Walter Muster über viele Jahre an der Empa unter Beweis gestellt hat.

Erst die Intuition bringt den Durchbruch

Jarmila Woodtli, eine langjährige Arbeits- und Forschungskollegin von Walter Muster, widmete sich anschliessend dem Thema Wissen und Nichtwissen – und damit so tiefgründigen philosophischen Fragen wie: Nimmt mit wachsendem Wissen auch unser Nichtwissen zu? Die vor kurzem ebenfalls pensionierte Spezialistin in Elektronenmikroskopie bezog sich unter anderem auf den französischen Naturwissenschaftler und Philosophen Blaise Pascal, der diese Frage bereits Mitte des 17. Jahrhunderts zu beantworten versuchte. Dabei verglich Pascal das verfügbare Wissen mit einer Kugel, die in einem Ozean des Nichtwissens schwebt und durch die beständige aktive Umwandlung von Nichtwissen in neues Wissen stetig anschwillt. Zwangsläufig werde bei diesem Wachstumsprozess nicht nur das Volumen der Kugel, sondern auch deren Oberfläche, also der Grenzbereich zwischen Wissen und noch Unbekanntem laufend grösser. Daher sei diese Grenzfläche besonders spannend, denn hier entstehe durch Forschungsanstrengungen und Erkenntnisprozesse täglich das neue Wissen. Heute hänge die Geschwindigkeit, mit der das Wissen der Menschheit anwächst, vor allem von Rahmenbedingungen wie Forschungsförderung und -politik sowie den ethischen Leitlinien ab. Nach Meinung von Jarmila Woodtli seien die wichtigsten Voraussetzungen für innovative Erkenntnisprozesse jedoch Qualitäten wie Neugier, Kreativität und insbesondere die Intuition der Forscher und Forscherinnen. Aufbauend auf die Logik erschliesse erst die Intuition den eigentlichen Durchbruch zu Neuem.

 
Als Vertreterin des Auswahlkomitees hielt Cornelia Bodmer-Roš, eine Enkelin von Mirko Roš, die Laudatio auf Walter Muster.
 

Hohe Ehre für wichtige Beiträge zur Schadensforschung bei Baustählen

Der Höhepunkt des Festanlasses war schliesslich die Verleihung der Mirko-Roš-Medaille in Gold an Walter Muster. Als Vertreterin des Auswahlkomitees hielt Cornelia Bodmer-Roš, eine Enkelin von Mirko Roš, die Laudatio auf Walter Muster, der zu Beginn seiner Laufbahn an der Empa das erste Rasterelektronenmikroskop in Betrieb genommen hat, um damit Materialien in höchster Auflösung zu untersuchen.

 

Heute gibt es etwa ein Dutzend verschiedene Elektronenmikroskope an der Empa und neue Geräteentwicklungen erschliessen auch die molekulare und atomare Ebene. Die Grundlagen dazu verdanke die Empa dabei Walter Muster, so Cornelia Bodmer-Roš.

Vor allem als Leiter der Abteilung Metallkunde, Metallographie und später des Ressorts Metalle habe Walter Muster im Zusammenhang mit Untersuchungen an Bewehrungs- und insbesondere Spannstählen wichtige Beiträge zum Bauwesen erbracht. Zu jener Zeit prägte die Vorspanntechnik viele bedeutende Brücken in der Schweiz, und – unterstützt durch die Empa-Forschung – haben sich Schweizer Firmen beachtliche Weltmarktanteile bei Vorspannsystemen erobert. Zudem geht der erfolgreiche Aufbau der Empa-Aktivitäten im Bereich Hochleistungskeramik auf Muster zurück, die er bereits früh als ein Forschungsgebiet mit Zukunft „gesichtet“ hatte. Auch die Umwandlung der ehemaligen Materialprüfungsstelle der Gruppe für Rüstung in Thun in die heutige forschungsorientierte Empa-Abteilung Werkstofftechnologie geschah unter Walter Musters Führung. Nicht nur durch seine Lehrtätigkeit an der ETH zählte er in den vergangenen zwanzig Jahren zu den Generalisten in der Schweizer Werkstoffszene. Sein Wissen habe er stets uneigennützig für die Empa eingesetzt sowie auch wissenschaftlichen Partnern und Schweizer Firmen zur Verfügung gestellt. In Anbetracht seiner aussergewöhnlichen Leistungen für die Empa habe das Mirko-Roš-Komitee daher im vergangenen Dezember entschieden, Walter Muster mit der goldenen Medaille auszuzeichnen.

Er sei über die Ehrung überrascht, sagte Muster sichtlich bewegt als er den Preis entgegennahm. Es erfülle ihn mit Stolz und Freude, in der gleichen Reihe mit Alfred Rösli, Aftab Mufti und Christan Menn stehen zu dürfen. Dies sei zweifellos ein Höhepunkt seiner langjährigen Berufslaufbahn und mache ihm den Abschied von der Empa leichter, so Muster.

Autor: Dr. Matthias Nagel